Cast und Crew
- Regie: Wolfgang Murnberger
- Drehbuch: Dorothee Schön
- Darsteller: Florian David Fitz, Nico Kleemann & Jascha Baum, Hans Löw, Inga Busch, Katharina Lorenz, Martin Brambach, Catrin Striebeck
- Produktion: Roswitha Ester & Torsten Reglin (Ester.Reglin.Film) & Eva Holtmann & Danny Krausz (Dor-Film),
- Kamera: Peter von Haller
- Schnitt: Evi Romen
- Musik: Annette Focks
- Redaktion: Götz Schmedes (WDR), Claudia Grässel (Degeto), Sabine Weber (ORF)
Es ist das Jahr 1929: Berlin, die Stadt der Künstler, Intellektuellen und Möchtegerns, floriert. Es werden ausschweifende Party gefeiert und danach ziehen die Exzentriker von Bett zu Bett. Einer von ihnen ist Schriftsteller Erich Kästner, der mit «Emil und die Detektive» sein erstes Kinderbuch herausgebracht hat. Der Schmöker wird zum Erfolg, und einer der jungen Leser, der achtjährige Hans-Albrecht Löhr, schreibt sogar einen glühenden Fanbrief an den Autoren, der es eingangs noch verachtet, als "Kinderbuchautor" angesehen zu werden.
Als Hans-Albrecht Löhr den in feurigen Gedichten für Frieden einstehenden Kästner überrumpelt und ihm anbietet, für seine Schülerzeitung zu schreiben, entsteht eine enge Freundschaft zwischen den Beiden. Kurzzeitig überlegt er sogar, für den vaterlos aufgewachsenen Jungen als Stiefvater zu dienen, doch da ihm alle sagen, er hätte ja keine Ahnung von Kindern, wird daraus nichts. Jedoch entwächst der Freundschaft immerhin eins: Kästners Interesse daran, mehr Kindergeschichten zu verfassen. Als jedoch die Nazis die Macht ergreifen, wird die Freundschaft zwischen Hans-Albrecht und Erich Kästner auf die Probe gestellt – denn Kästner ist für die Nazis ein widerlicher, die Geister vergiftender Pazifist …
Ein Stück weit deckt «Kästner und der kleine Dienstag» Elemente ab, die in der ARD/Sky-Serie «Babylon Berlin» und in Oliver Hirschbiegels Drama «Elser – Er hätte die Welt verändert» ebenfalls vorkommen: Regisseur Wolfgang Murnberger («Brüder I – III») zeigt anfangs eine vergnügungsfreudige Gesellschaft, die über ihre gegenwärtigen Sorgen hinweglacht, und nicht genug tut, um kommende Probleme zu bekämpfen – denn die Rechten verpesten bereits den Zeitgeist. Viel mehr als das Zeichnen von Karikaturen wird gegen sie aber erst unternommen, als es zu spät ist.
- © ARD Degeto/Ester.Reglin.Film/DOR Film/Anjeza Cikopano
Hans (Jascha Baum) muss sich vor seiner Mutter Lotte (Katharina Lorenz) und seiner Schwester Trude (Saskia Sophie Rosendahl) rechtfertigen, Kästners Bücher nicht verbrannt zu haben.
Dorothee Schön zeichnet im Anschluss daran durchaus ein ausdifferenziertes Gesellschaftsbild: Weder heroisiert sie Leute wie Kästner, der nach eigenen Aussagen "mit ironischem Gesicht" im Dritten Reich die Stellung hielt und im ganz Kleinen, sehr dezent stichelnd Paroli bot, während er unter fremdem Namen von den Nazis geduldetes Unterhaltungsmaterial verfasste. Noch steckt sie all jene, die nicht genug Mut für mehr Aktivismus aufbringen konnten, direkt mit den ideologischen Anhängern der Nazis in einen Topf. Sie schattiert zwischen aktivem Widerstand, leiser Bockigkeit, verängstigtem Stillstand, leisem Sympathisantentum, Gehirngewaschenen und ideologischen Rechten – etwas mehr von Kästners typisch-hintergründigem Biss wäre dennoch wünschenswert gewesen.
Doch der deprimierender Weise an Aktualität gewinnende historische Kontext ist nun einmal nur eine Teilkomponente dieses Fernsehfilms, der im direkten Vergleich zur Mammutserie «Babylon Berlin» und Hirschbiegels Leinwandproduktion «Elser – Er hätte die Welt verändert» visuell auch erwartungsgemäß blass wirkt: Die überbelichteten Bilder sind in einem seichten, monotonen Sepiastich gehalten, und auch wenn die Kostüme keineswegs billig wirken, bleiben sie doch stets auf einem soliden Fernsehfilmniveau. Im Fokus steht eben die Kästner-Komponente, und dahingehend liefert diese Dramödie, abgesehen vom bereits erwähnten, cleveren Dialogbuch, auch eine tolle Performance ihres Hauptdarstellers ab. Florian David Fitz mag Kästner zwar nicht sonderlich ähnlich sehen, aber er erweckt den Autoren mit Verve und einer überzeugend-gebrochenen dramatischen Komponente zu erneutem Leben. Jungdarsteller Nico Ramon Kleemann agiert ihm gegenüber angenehm unaffektiert und wie Schön diese ungewöhnliche Freundschaft ohne unnötige Dramatisierung nachzeichnet, hat viel Charme und Herz.
«Kästner und der kleine Dienstag» ist am 21. Dezember 2017 ab 20.15 Uhr im Ersten zu sehen.
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21.12.2017 21:04 Uhr 1