Donald Trump am 13. Dezember 2017: “Wow, more than 90% of Fake News Media coverage of me is negative, with numerous forced retractions of untrue stories. Hence my use of Social Media, the only way to get the truth out. Much of Mainstream Meadia has become a joke!“
Donald Trump am 22. Dezember 2017: "'The President has accomplished some absolutely historic things during this past year.' Thank you Charlie Kirk of Turning Points USA. Sadly, the Fake Mainstream Media will NEVER talk about our accomplishments in their end of year reviews. We are compiling a long & beautiful list.“
Dies sind Tweets des amerikanischen Präsidenten – nur aus den letzten zwei Monaten: Trump gegen die Medien, Trump gegen die Fake News. Der Kampf um die Deutungshoheit der skurrilen Präsidentschaft Donald Trumps ist in voller Fahrt. Und die Frage, ob das Amt ihn nachhaltig verändert oder er das Amt, kann nach rund einem Jahr vorläufig beantwortet werden: Trump ändert durch seinen Stil die Art, wie wir das amerikanische Präsidentschaftsamt wahrnehmen, respektieren – und wie die Medien damit umgehen.
Alltäglich ist der Kommunikationskanal Twitter für Trump geworden; seine Tweets erscheinen in den größten Nachrichtensendungen. Traditionelle Presseauftritte mit relevanten Aussagen sind selten, stattdessen wird Trump in den sozialen Netzwerken ehrlich, da er dort den Widerstand ausblenden kann. Klassische Medien können nicht anders, als die Tweets als Nachrichtenquelle aufzugreifen – denn anders bekommen sie Trump oft gar nicht mehr zu fassen. 45 Millionen Follower hat Trump auf Twitter.
Douglas Brinkley, der Autor zahlreicher Biografien von US-Präsidenten, sieht diesen Wandel als Transformation des Amtes an: Über Twitter bestimme Trump das Narrativ und setze die Agenda. Kein anderer Präsident vor ihm habe versucht, die Presse so zu de-legitimisieren wie Trump. „Indem er sich über die klassischen Medien hinwegsetzt, gewinnt er eine direkte Art von Macht und Glaubwürdigkeit. Jeden Tag will er, dass die Schlagzeile „Trump“ ist – auch dann, wenn sie kontrovers ist.“ Kontrovers – oder schlicht eine Lüge: Die New York Times veröffentlichte kürzlich eine Statistik über die Anzahl der Falschaussagen Trumps in seinen ersten zehn Monaten als Präsident. Schon jetzt hat Trump sechsmal mehr Lügen – nämlich über 100 – erzählt als Barack Obama in seiner gesamten achtjährigen Präsidentschaft.
Dies wirkt sich vor allem auf die Late-Night-Shows in den USA aus, die exzessiv über Trumps eigene Fakenews berichten. 2017 hat sich die Branche massiv verändert, wie die New York Times feststellt: Kaum mehr vergehen fünf Minuten in Late-Night-Shows, ohne dass über Politik und Trump geredet wird. Die Formate sind noch stärker als zuvor aufklärerisch unterwegs, darunter Stephen Colbert mit seiner Berichterstattung über den Russland-Skandal. Am meisten fallen die Änderungen bei den sonst eher unpolitischen Moderatoren Jimmy Kimmel und Jimmy Fallon auf: Von CNN wurde Kimmel kürzlich sogar als Gewissen der amerikanischen Nation bezeichnet, wegen seiner emotionalen Monologe zu aktuellen politischen Themen. Fallon konzentriert sich auf die Skurrilitäten im Weißen Haus und verwandelt sie in Gags.
Der Trump-Effekt: Vertrauen in die Presse nimmt wieder zu
Dass die klassischen Medien die Transformation des Präsidentschaftsamtes nicht klaglos hinnehmen, zeigt sich an einer Studie des PEW Research Center. Sie kam kürzlich zu dem Schluss, dass die Berichterstattung über den Präsidenten rund dreimal negativer ist als bei früheren Amtsinhabern. Rund 60 Prozent der Storys über Trumps erste Monate als wichtigster Mann der Welt waren negativ, nur 5 Prozent positiv. Bei Obama waren dagegen 42 Prozent der News positiv konnotiert, 20 Prozent negativ. Bei George W. Bush im Jahr 2001 waren es 22 respektive 28 Prozent.
Dies spiegelt auch eine gewisse Balance wider, die Medien gegenüber früheren Präsidenten entgegenbrachten. Positive, negative und neutrale Storys waren immer in ausreichender Zahl vorhanden; die Pluralität des Mediensystems war gegeben. Trumps Feldzug gegen diese Medien aber hat zu einer Polarisierung geführt: zu zwei Fronten, die sich gegenseitig wenig respektieren. Die Medien berichten fast ausschließlich negativ oder neutral über ihn, während Trump selbst kaum mehr mit der Presse spricht und über Twitter seine Nachrichten selbst produziert.
So gesehen sind die Medien Trumps primärer Feind in seiner Präsidentschaft, das große Angriffsziel, auf das er sich fokussiert hat – nicht die Klimakrise, nicht der Terror, nicht irgendein anderes Land. Die Medien wiederum erleben den sogenannten „Trump-Effekt“: Viele Menschen stellen fest, dass sie in diesen Zeiten verlässliche Nachrichtenquellen brauchen, gut recherchiert und analysiert. Die New York Times registriert einen Boom bei den digitalen Abos, gleichzeitig die Washington Post. Kabel-Nachrichtensender wie MSNBC steigern ihre Profite und ihre Einschaltquoten, die Menschen vertrauen den Medien generell wieder mehr: Eine repräsentative Reuters-Umfrage bescheinigt, dass 48 Prozent der US-Bürger der Presse stark oder in gewissem Maße vertrauen. Die Zahl mag auf den ersten Blick gering erscheinen – aber im November 2016, zur US-Wahl, lag diese Zahl mit 39 Prozent noch deutlich niedriger. Und Trumps Zustimmungswerte selbst sind auf einem Tiefstand.
Vorerst gewinnen die Medien also den Krieg um die Deutungshoheit über die präsidiale Politik. Aber Achtung: Man ist erst ein Viertel der Strecke gelaufen.
Schreibe den ersten Kommentar zum Artikel