Hingeschaut

«Wir sind 5!»: Dokutainment as its best

von

In drei neuen Folgen ermöglicht «Die wunderbare Welt der Kinder» spannende, unterhaltsame und zugleich sehr lehrreiche Einblicke in das kindliche Denken und Handeln. Das erreicht Herz und Hirn - und ist längst nicht nur für Eltern und Pädagogen sehenswert, sondern für jeden, der sich auch nur ein wenig für das menschliche Verhalten erwärmen kann.

Inhaltliche Ausrichtung der neuen Folgen

  • F1: welche zentralen Fähigkeiten erwerben Kinder in ihrer Entwicklung im Vorschulalter?
  • F2: typische Geschlechtermerkmale der Fünfjährigen, trägt Umwelt zu 'männlichen' und 'weiblichen' Verhaltensmustern bei?
  • F3: Lebensabschnitt nach Schuleintritt («Wir sind 6!») und neue Herausforderungen für Kinder (und Eltern)
Zwischen den beiden Megahits «Sing meinen Song» und «Die Höhle der Löwen» geht gerne einmal unter, dass VOX fast das gesamte Kalenderjahr 2017 lang sehenswerte und meist erfolgreiche Eigenproduktionen am Dienstagabend platziert hatte. Einer dieser Geheimtipps datierte mit «Die wunderbare Welt der Kinder» noch aus dem Januar, ging in der medialen Berichterstattung beinahe komplett unter - und erstaunte doch mit klar überdurchschnittlichen Marktanteilen in der werberelevanten Zielgruppe zur besten Sendezeit. Diese beachtlichen Zahlen nutzt der Privatsender nun dafür, gleich drei neue Zweistünder auszustrahlen - nachdem er vor Wochenfrist mit immerhin noch durchwachsenem Erfolg noch einmal das alte Material ausstrahlte.

Worum es in «Wir sind 5!» geht: Ein Kindergarten wurde wochenlang mit beweglichen Kameras und Mikrofonen ausgestattet, um die Entwicklung von Kleinkindern zu dokumentieren, Einblicke in ihr Leben und vor allem in ihre natürliche soziale Interaktion zu ermöglichen. Die drei neuen Folgen nehmen sich dabei unterschiedlichen thematischen Schwerpunkten an (siehe Infobox), funktionieren aber konzeptionell alle mehr oder minder gleich: Nicht nur das Verhalten der Kinder im Kindergarten-Alltag wird dokumentiert, sondern auch jenes in eigens entwickelten, wissenschaftlich fundierten Tests, die meist mehrere soziale, motorische und kognitive Kompetenzen zugleich erfassen. Die Eltern betrachten und kommentieren das Geschehen ebenso wie zwei Entwicklungspsychologen, die bei der Einordnung des Gesehenen helfen sollen.


Breites Spektrum an Themen und Experimenten


Vereinfacht kann man also vielleicht sagen, dass die Sendung irgendwo zwischen einer Dokumentation, einer Spielshow, einer typischen Dokusoap und einem Wissenschaftsmagazin zu verorten ist - und so recht vermag man gar nicht zu beurteilen, welche Genres hier dominieren. Den sozialen Experimenten oder generell schon der Grundprämisse des Formats, Kinder über Tage und Wochen hinweg mit Kameras und Mikros zu beobachten und das gefilmte Material anschließend einem Millionenpublikum zu präsentieren, mag man gewiss voyeuristische Züge vorhalten können. Wem das schon zu weit geht, sollte am Dienstagabend VOX also großräumig umschiffen. Wer hingegen eine weniger starke moralische Militanz an den Tag lehnt und vor allem das Wie der Präsentation für maßgeblich hält, ist herzlich eingeladen, diese zwei Stunden Lebenszeit zu investieren.

Denn wie schon im Vorjahr geht es nicht darum, die Kleinen vorzuführen, ihnen einen allzu plakativen Stempel aufzudrücken und sie nach zehn Minuten schon in einer Schublade stecken zu haben. Es werden viel mehr typische Verhaltensmuster aufgezeigt, die in dieser Entwicklungsphase relevant sind, es wird aufgezeigt, inwiefern das kindliche Verhalten ein Spiegelbild der Erwachsenen-Welt ist und auf welche Weise sie einen eigenen Charakter entwickeln, der jedoch zugleich stark von ihrem sozialen Umfeld geprägt ist. Die Experimente dienen zumeist mehr als Verbalimpuls für Eltern und Experten auf der einen Seite und als konkrete Visualisierungsmöglichkeit des kindlichen Verhaltens für den Zuschauer - und klar, einem Unterhaltungswert dienen sie natürlich auch, ist dieses "wie würde ich mich in dieser Situation verhalten?"-Gedankenspiel verbunden mit konkreten Beispielen doch immer wieder spannend. Und wird übrigens auch in der Wissenschaft oft und gerne genutzt.

Die Bandbreite der Tests ist dabei übrigens auch durchaus beachtlich und reicht über klassische Settings aus der Verhaltenspsychologie, wenn etwa ein Kind im Beisein eines Peers darüber zu befinden hat, ob es gleich zwei Schokoküsse alleine verputzt oder keiner überhaupt einen bekommt, geht über stark kognitiv beanspruchende Aufgaben wie dem Merken von Gegenständen und reicht bis hin zu Aufgaben der Sprachentwicklung und Selbstkontrolle - beides Themen, die in den vergangenen Jahren häufig im Fokus der oft auf sehr trivialem Halbwissen beruhenden öffentlichen Bildungs- und Erziehungsdebatte standen.

Nicht nur für Eltern und Pädagogen geeignet


Und auch wenn die Stars der Sendung ganz klar die elf Kindergarten- und teilweise schon Schulkinder sind, sollte auch der Beitrag der Eltern und Psychologen nicht unterschätzt werden. Erstere helfen vor allem dabei, die eigentlichen Protagonisten zu charakterisieren und bisweilen auch die spannenden Differenzen zwischen deren Verhalten innerhalb der Gruppe von Gleichaltrigen und im heimischen Elternhaus aufzuzeigen, fungieren mitunter aber auch als eine Art Spiegelbild der jungen Menschen. Prof. Dr. Sabina Pauen und Prof. Dr. Moritz Daum wiederum helfen bei der Einordnung des Gesehenen in größere wissenschaftliche Zusammenhänge, ohne aber jemals in einen allzu drögen und verkrusteten Dozenten-Schlaumeier-Duktus zu verfallen. Wenn man als Student an manch mühsame Vorlesung zurückdenkt, wünschte man sich, stattdessen von einem der beiden unterrichtet worden zu sein - vor allem Frau Pauen ist fast so etwas wie die "gute Seele" der Sendung.

Die beiden nutzen zudem die Möglichkeit, innerhalb der Tests an geeigneter Stelle beliebte erziehungsrelevante Themen aufzugreifen und nehmen sich vor allem des Streitfalls ADHS auf - für Privatsender-Verhältnisse - respektabel differenzierte Art und Weise an. Verbunden mit einigen hilfreichen Tipps, wie Eltern die Entwicklung ihrer Kinder fördern können, ohne als Helikopter über sie zu kreisen oder sie permanent mit Aktivitäten zwangszubeglücken, welche die Kleinen in ähnlich großem Ausmaß emotional erfüllt wie Donald Trump die Lektüre eines Buches, gibt es zahlreiche Gründe für Erziehungsberechtigte insbesondere junger Mädchen und Jungs, dieses Format zu konsultieren. Und natürlich gibt es diese auch für Erzieher, Lehrer und weitere Pädagogen.

Und für den restlichen Teil der Bevölkerung? Durchaus auch für den, denn das gefilmte Material ist durchgehend launig und zugleich horizonterweiternd, hilft ein Stück weit, die Entwicklung des Menschen zu verstehen und zu erkennen, wie viel Persönlichkeit schon in so einem Fünfjährigen steckt, was häufig ein wenig verkannt wird. Zugleich ist die Sendung aber auch an einigen Stellen sehr rührend, ohne allzu rührselig und verkitscht daherzukommen, sie lässt dem Rezipienten die Möglichkeit, noch einmal auch die eigene Kindheit zu durchleben mit all den Herausforderungen und Ängsten, aber auch der Begeisterungsfähigkeit und dem Drang, ständig neue Abenteuer erleben zu wollen - also den wunderbaren und verzichtbaren Momenten der Kindheit zugleich.

Werdet ihr «Die wunderbare Welt der Kinder» gucken?
Ja, habe auch schon die alten Folgen gesehen.
75,9%
Ja, erstmals.
3,7%
Nein, das interessiert mich nicht.
14,8%
Nein. Habe die alten Folgen gesehen, die haben mir aber nicht gefallen.
0,0%
Ich bin mir da noch nicht sicher.
5,6%


Fazit: Gerne mehr davon!


Unterm Strich gibt es kaum etwas, für das VOX bei «Die wunderbare Welt der Kinder» zu kritisieren ist. Selten wird die Brücke zwischen Information und Unterhaltung so gut geschlagen wie in dieser Sendung, die informativ ist, ohne zu langweilen und unterhaltsam ist, ohne Komplexes allzu banal darzustellen. Das ist eine große Leistung und dürfte sich auch über drei Zweistünder tragen - und wenn das Publikumsinteresse hoch ist, gerne auch noch über einige weitere Jahre mit den kleinen Stars wie Tom, Mert oder Abigail. Das ist ohnehin der einzige nennenswerte Unterschied im Vergleich der beiden ersten Staffeln: Da sieben Kinder an beiden Staffeln partizipierten, lässt sich bei ihnen auch beobachten, ob und wie sie sich im Laufe der Monate verändert haben. Eine Bereicherung für das Format und gerade im Kontrast zwischen Tom und Mert auch wirklich spannend. Gerne mehr davon, verdient hätte es diese starke Sagamedia-Produktion allemal.

VOX zeigt am 9., 16. und 23. November jeweils eine neue Folge von «Die wunderbare Welt der Kinder» jeweils von 20:15 Uhr bis 22:15 Uhr.

Kurz-URL: qmde.de/98215
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