Zum Auftakt von «Der Vertretungslehrer» geht es ans Gymnasium in Steinhagen bei Bielefeld. Die Schüler wissen vorher übrigens nicht, wer oder was da auf sie zukommt – im schlimmsten Fall geht also ein wertvoller Samstag verloren. Ex-Boxweltmeister Wladimir Klitschko darf sich als erster Vertretungslehrer versuchen. Klassische Schulfächer wie Mathematik, Physik oder Erdkunde stehen (glücklicherweise) nicht auf Wladimirs Agenda. Genauso wenig das Siezen und Ansprechen mit dem Nachnamen. Stattdessen geht es darum, wie man Herausforderungen meistert. Das passiert zum einen mit interaktiven Übungen (sich auffangen lassen, mit Begeisterung ein Gedicht vortragen), zum anderen leider mit überwiegend plumpen Küchenweisheiten wie „Niemals schwarz/weiß denken“, oder „Man muss immer an sich selbst glauben“.
„Man muss sich Ziele setzen“ lautet zum Beispiel eine Lektion von Wladimir. Und was ist, wenn man kein offensichtliches Ziel hat, sondern vielleicht sogar Angst vor der Zukunft hat? So wie die 18-Jährige Tara, die von ihren „körperlichen Baustellen“ berichtet? Macht im Grunde genommen nix – im Gegenteil: „Angst ist ein Geschenk der Natur, was uns fitter, besser, schneller, schlauer und stärker macht. Du weißt selbst noch gar nicht, dass du so stark bist. Ich sehe das in deinen Augen. Du bist ein Optimist und ich bin davon überzeugt, du kriegst in deinem Leben noch mehr hin, als viele andere von uns hier. Weil du den härteren Weg gehst“, gibt Wladimir seiner Kurzzeit-Schülerin mit auf den Weg.
Garniert werden solche inhaltsleeren Worthülsen mit Einspielern von den Schülern, bei denen im Vorfeld offenbar ein gründliches Casting stattgefunden haben muss. Zufällig kommen nämlich immer jene zur Wort, die auch noch eine packende Geschichte zu erzählen haben: Da wäre etwa die schüchterne Jessica, die erst im Cosplay-Kostüm aus sich rauskommt. Tara, die seit sieben Jahren krank ist. Oder Annika, die vor Kurzem ihre Mutter verloren hat. Man kann darüber streiten, ob es unbedingt nötig war, zusätzlich diese Schicksale zu erwähnen.
Steckbrief
Daniel Sallhoff stellt sich am Wochenende den Wecker, um die Einschaltquoten vom Vortag zu analysieren. Riskiert in so gut wie jede Fernsehsendung einen Blick. Liebt gute US-Serien und hat ein Faible für gepflegten TV-Trash. Ist auch bei Twitter vorzufinden. Hört noch dazu gerne Musik. Und normalerweise redet er nicht von sich selbst in der dritten Person.Am Ende ist jedenfalls alles gut: „Mein Herz und meine Seele haben eine Ruhe, weil ich sehe, was die nächste Generation bringt“, resümiert Wladimir und das Schüler-Feedback fällt ebenso gut aus. Dass es um ein Thema ging, dass im normalen Schulalltag wenig Bedeutung hat und erst recht nicht in den Lehrplänen vorgesehen ist, wurde positiv hervorgehoben – zurecht. Jedoch wirkt es ein wenig unglücklich, dass die Inhalte der Unterrichtsstunde zumeist nichts weiter als Phrasen sind und wenig Eindruck hinterlassen. Ansonsten ist «Der Vertretungslehrer» ein reichlich unaufgeregtes Format, welches von der Tonalität her gut zu VOX passt. Oder um es mit Wladimirs Worten zu sagen: „Passt wie Faust auf die Auge.“
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