Filmfacts: «It Comes at Night»
- Kinostart: 18. Januar 2018
- Genre: Psychothriller
- FSK: 16
- Laufzeit: 91 Min.
- Kamera: Drew Daniels
- Musik: Brian McOmber
- Buch und Regie: Trey Edward Shults
- Schauspieler: Joel Edgerton, Christopher Abbott, Carmen Ejogo, Riley Keough, Kelvin Harrison Jr., David Pendleton
- OT: It Comes at Night (USA 2017)
Schnelle Schnitte, eine dröhnende Tonspur und die Andeutung von explizitem Bildmaterial sollen einen hysterischen Horrorreißer suggerieren, doch am Ende ist «It Comes at Night» vielmehr eine Art Hybrid aus dem Thriller-Kammerspiel «10 Cloverfield Lane» und M. Night Shyamalans zwiespältig aufgefasstem Twistride «The Village», wobei dieser Vergleich keinerlei Aufschluss über den Ausgang der Geschichte gibt. Atmosphärisch dicht und emotional fordernd ergibt sich aus diesem Zusammenspiel ein hochspannendes, unaufgeregtes und nicht minder forderndes Psychospiel, das den Puls des Zuschauers ganz ohne Blut und Monster ordentlich in die Höhe schnellen lässt.
Kommt die Gefahr wirklich von draußen?
Das Ende der Welt. Eine tödliche Infektionskrankheit hat fast alles Leben auf der Erde ausgelöscht. Der siebzehnjährige Travis (Kelvin Harrison, Jr.) und seine Eltern Paul (Joel Edgerton) und Sarah (Carmen Ejogo) gehören zu den letzten Überlebenden. Schwer bewaffnet leben sie in einem einsamen Haus im Wald. Getrieben von Angst und Paranoia versucht die Familie, mit ihren spärlichen Vorräten zu überleben, als ein verzweifeltes junges Paar (Riley Keough, Christopher Abbott) mit seinem kleinen Sohn bei ihnen Schutz sucht. Trotz ihrer guten Absichten, sich gegenseitig zu helfen, rücken die Schrecken der Außenwelt immer näher. Sie haben tiefe Spuren in den Seelen der Menschen hinterlassen, so dass bald Panik und Misstrauen zwischen den beiden Fa-milien regieren. Denn jeder kann die Krankheit in sich tragen und zur tödlichen Bedro-hung werden. Wie weit wird Paul gehen, um Frau und Sohn zu schützen?
In «It Comes at Night» ist nicht irgendein außerweltliches Monster das Problem, sondern der Mensch an sich. Das Szenario: Nach einem bis zuletzt konsequent im Dunkeln bleibenden Zwischenfall ist ein Großteil der Menschheit verseucht und die Außenwelt daher so gut wie kontaminiert. Nur noch mit Atemmaske wagt man sich aus dem Schutz der eigenen vier Wände und gegenseitige Kontaktaufnahme artet in der Regel sofort in Mord und Totschlag aus. Schon früh deutet Regisseur und Drehbuchautor Trey Edwart Schults (dass dieser Film nach «Krisha» erst seine zweite allein beaufsichtige Langfilmarbeit ist, ist aufgrund der peniblen Inszenierung kaum zu glauben) an, dass die größte Gefahr in der Ungewissheit ob des Szenarios sowie der gegenseitigen Skepsis liegt – wer ist in dieser Ausnahmesituation Freund und wer ist Feind, wenn sich doch gerade im Hinblick auf eine große Katastrophe jeder selbst der nächste ist? Nach einem überraschend reißerischen Intro, in welchem Hauptfigur Paul den offenbar unheilbar infizierten Großvater der Familie verbrennt, nimmt sich das Skript viel Zeit, um das Undurchschaubare greifbar zu machen.
Einzelne Erzählfragmente machen allenfalls erahnbar, was die Zivilisation einst dahinraffte und unter welchen Bedingungen die letzten Verbliebenen des Super-GAUs nun leben müssen. Dieses Taktieren mit der Ungewissheit eröffnet Schults einen größtmöglichen Spielraum darin, was in «It Comes at Night» alles möglich ist, wenngleich sich der Regie-Newcomer hier und da verheddert. Nicht immer wird die innerfilmische Logik gewahrt; manchmal muss der Zuschauer ein Auge zudrücken, um das Gezeigte glaubhaft im Kontext unterbringen zu können. Doch je größer das Repertoire verwendeten Stil- und Erzählmitteln, desto unberechenbarer die Handlung. Und nur, weil wir schon zu Beginn verraten haben, dass mit dem Auftauchen des vielsagenden «It» nicht gerechnet werden braucht, haben wir noch nicht eine der vielen Wendungen vorweggenommen.
Kein Horrorschocker, wie ihn der Trailer suggeriert
Viel mehr verraten, als dass Pauls Familie auf das Oberhaupt einer anderen trifft, wollen wir an dieser Stelle auch gar nicht. Denn nicht nur der erste Dialog der beiden wird in seiner Identität direkt zu einem fesselnden Katz-und-Maus-Spiel, bei dem die vermeintliche Rollenverteilung sehr bald aufgehoben wird. Auch all das, was danach kommt, lässt sich am besten genießen, wenn man möglichst ahnungslos an die Sache herangeht. Vollkommen ohne das Szenario gezielt reißerischer zu gestalten, ist «It Comes at Night» voll von bitterem Kalkül, das die Figuren in nahezu jeder Szene in einem völlig neuen Licht erscheinen lässt. Dass hier Niemand dem Anderen über den Weg traut, ist daher vollkommen realistisch und nachvollziehbar. Auch der Zuschauer wird mehr als einmal auf eine große Vertrauensprobe gestellt, wenn selbst der zu Beginn noch als klare Identifikationsfigur angelegte Paul sowie seine Familie und erst recht der äußerst charismatische Teeniejunge Travis Dinge aussprechen und Taten begehen, die im Kontext zweifelhaft erscheinen.
Diese Unsicherheit unterfüttern die Macher direkt mit allerlei Symbolismus, den es in seiner bisweilen auftretenden Plakativität gar nicht gebraucht hätte. Auch ohne derartige Spielereien durchschaut man den Kern der Botschaft: Nicht irgendein Monsterwesen ist das pure Böse, sondern der in die Enge getriebene Mensch.
Der den Film mit produzierende Joel Edgerton («The Gift») ist es, der «It Comes at Night» erst im Alleingang trägt und sich die Bühne später gern mit Christopher Abbott («Whiskey Tango Foxtrott») teilt. Die Prämisse zweier Familien unter einem Dach lädt dazu ein, dass sich die Stimmung auf diesem beengten Raum nach und nach hochschaukelt, doch genau das Gegenteil ist der Fall. In der betonten Routine des Alltags sind es winzige Details, die skeptisch machen und die Menschen aus ihrer Lethargie reißen. Das fast schon minimalistische Agieren Edgertons steht stellvertretend für die Unaufgeregtheit, mit der Trey Edwart Schults hier voranschreitet, während Kelvin Harrison Jr. («The Birth of a Nation») das brodelnde Geschehen erst nüchtern und später immer skeptischer betrachtet – die fast schon menschlichste aller Performances in «It Comes at Night» und damit auch die, mit welcher sich der Zuschauer am ehesten identifizieren kann. Abbott setzt in seinem Agieren vereinzelt zu sehr auf größtmögliche Undurchsichtigkeit und lässt jene Subtilität vermissen, die sein Kollege Edgerton an den Tag legt.
Der wirklich wahre Star bleibt nicht zuletzt aber ohnehin die Kulisse. Kameramann Drew Daniels («Krisha») qualifiziert sich mit seiner paralysierenden Arbeit als einer der besten im jüngeren Genrebereich, während Komponist Brian McOmber (war ebenfalls bereits an «Krisha» beteiligt) einen solch zurückhaltenden Score fabriziert hat, dass die aussagekräftige Tonspur aus fremden Geräuschen und unheimlichen Lauten noch mehr zur Geltung kommt. In dieser Kombination malträtiert «It Comes at Night» die Nerven des Zuschauers auch ohne Jumpscares ganz ordentlich.
Fazit
Der nobel besetzte Genrefilm «It Comes at Night» ist kein Horrorschocker klassischer Aufmachung und punktet nicht über reißerische Jumpscares, sondern vor allem über eine beklemmende Kammerspielatmosphäre, die sich mühelos zuspitzen kann, ohne dass „es“ tatsächlich nachts kommt.
«It Comes at Night» ist ab dem 18. Januar 2018 in den deutschen Kinos zu sehen!
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16.01.2018 19:02 Uhr 1