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Wir Autoren wollen ja auch keine Projekte verhindern, sondern die Qualität der Produktionen aus Deutschland steigern. Wir sind es so leid, daß jede dritte Überschrift im Medien-Feuilleton lautet: "Warum kann Deutschland keine Serie?"
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Annette Hess über die Wünsche deutscher TV-Autoren
Wir müssen weiter aufklären, was unsere Arbeit bedeutet. Wir müssen mehr Interviewmöglichkeiten mit uns anbieten, unsere Agenten Pressearbeit machen lassen, auf Podien gehen, in Talksendungen. Ich kenne natürlich auch etliche Kollegen, die wollen nicht in die Öffentlichkeit. Das liegt ein wenig in unserer Natur. Viele von uns sind ja gerade deswegen in diesen Beruf gegangen, weil wir gern am Schreibtisch sitzen, still mit unserer Vorstellungskraft vor uns hin arbeiten und lieber die Schauspieler für uns ins Rampenlicht treten lassen. Aber wenn man Aufmerksamkeit und Mitspracherecht haben möchte, muss man aus dieser Haut heraus. Man kann sich nicht beschweren, dass man nicht gesehen wird, wenn man sich nicht zeigt!
Zurück zum Verhältnis Regie/Autor: Ein bisschen spielt man als Kritiker ja schon Roulette, wenn man eine Dialogzeile zitiert. Klar, man sollte denken, dass die Autorin/der Autor sie verfasst hat. Aber ich kenne Fälle, wo der Drehbuchautor für Dialoge zur Verantwortung gezogen wurde, und dieser dann erwiderte: "Aber der dumme Satz ist nicht von mir, der stammt vom Regisseur. Nach meinem Drehbuchentwurf wurde sonstwas mit meinen Texten gemacht." (lacht)
Ja, da kann ich Sie verstehen. Das erinnert mich an einen Film von mir, ein ziemlicher Historienschinken, mit dem ich sehr unzufrieden bin. Ich mache da auch niemanden gezielt für verantwortlich. Da war irgendwie von Anfang an der Wurm drin. Und der Regisseur, mit dem ich eigentlich super klarkomme und einige andere hervorragende Zusammenarbeiten hatte, kämpfte dafür, dass ein bestimmter Satz in dem Film vorkommt, der so nicht im Drehbuch stand: "Aber Olga, das sind Nazis!" Wir haben lange darüber diskutiert, denn ich fand den Satz schrecklich – so hat in meinen Augen niemand zur Zeit des Dritten Reichs gesprochen. Er fand den Satz aber wichtig – und so landete er im Film und war dann die Überschrift eines Totalverrisses in der 'FAZ'. (lacht)
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Was sehr oft passiert, ist, dass ein Regisseur eine einzige Szene ändert und dann prompt einen gleichwertigen Autoren-Credit haben will. Das hat dann natürlich viel mehr mit dem Machtkampf um die Urheberschaft zu tun als mit den Inhalten der Geschichte. Dieser ungeheuerliche Übergriff leuchtet sogar Branchenfremden ein. Um diese Willkür abzuwehren, wäre eine Idee, ein unabhängiges Dramaturgengremium einzuführen.
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Annette Hess
Was sehr oft passiert, ist, dass ein Regisseur eine einzige Szene ändert und dann prompt einen gleichwertigen Autoren-Credit haben will. Das hat dann natürlich viel mehr mit dem Machtkampf um die Urheberschaft zu tun als mit den Inhalten der Geschichte. Dieser ungeheuerliche Übergriff leuchtet sogar Branchenfremden ein. Um diese Willkür abzuwehren, wäre eine Idee, ein unabhängiges Dramaturgengremium einzuführen, das erste und letzte Drehbuchfassungen vergleicht und abwägt, ob die Regie tatsächlich auch in dem Maße als Autor tätig geworden ist, dass eine Nennung im Vor- und Abspann gerechtfertigt ist.
Man kann so eine Eskalation aber auch verhindern, indem man gleich in den Vertrag setzt, dass die Regie nur mit Einverständnis des Autors das Drehbuch umschreiben darf. Auch das sollte Standard werden. Im Übrigen gibt es ja auch Fälle, hatte ich auch schon, da ist man froh, wenn nach der 9. Fassung ein anderer weiterschreibt. Da bin ich dann auch mit dem zweiten Credit einverstanden.
Welche Erfolgschancen würden Sie der Idee eines Autorenstreiks geben, um die Sache der Autoren voranzutreiben?
Ich fürchte, dass ein allgemeiner Autoren-Streik in Deutschland schwer umsetzbar ist. Denn damit dieser wirklichen Einfluss auf das TV-Geschäft hat, bis da etwas beim Zuschauer ankommt, das spürbar wird, dass wir nicht mehr schreiben, müsste der Streik so lange andauern, dass den Sendern und Produktionsfirmen die Drehbücher ausgehen. Und das kann bei der langen Vorlaufzeit, die solche Leuchttürme wie der «Tatort» haben, ein Jahr und mehr bedeuten.
Drei Monate Arbeitsniederlegung würden da kurz Aufmerksamkeit bringen aber in der Wirkung verläppern. Zudem müssten alle Autoren am selben Strang ziehen – und wir sind wie gesagt nicht organisiert. Nur geschätzt die Hälfte der Autoren sind überhaupt im Drehbuchverband. Und viele der Autoren aus der zweiten Reihe, die auf ihre große Chance warten, hätten dann endlich eine Gelegenheit, sich zu beweisen. Was allerdings funktionieren könnte: wenn feste Autorenteams bei Dailys oder Weeklys plötzlich die Arbeit niederlegen. Da sind die Produktionsvorgänge viel kürzer getaktet. Und wenn da plötzlich am Montag keine Bücher mehr kommen, das würde Sender und Produktionen tatsächlich schwer treffen.
Vielen Dank für informative Gespräch. Ich denke, es wird noch spannend, zu sehen, ob aus der Fernsehpreis-Sache nur ein Schluckauf entsteht oder sich nachhaltig etwas ändert.
Ich denke, es ist so: Die Fernsehpreis-Stifter sind eingeknickt und haben die Autoren nachgeladen. Aber wir Autoren laden auch grade nach.
Es gibt 3 Kommentare zum Artikel
26.01.2018 16:44 Uhr 1
Dann sind wir mal gespannt, was sie aus den Kindern von Bahnhof Zoo macht.
26.01.2018 17:28 Uhr 2
@sid: echt tolles Interview, ich weißte fast nichts von diesen Problemen der Autoren!
26.01.2018 20:41 Uhr 3