Die Kino-Kritiker

Die Entstehung des schlechtesten Films der Welt: «The Disaster Artist»

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Wenn sie nicht wahr wäre, müsste man sie erfinden. «The Disaster Artist» ist die Geschichte hinter dem seinerzeit schlechtesten Film der Welt, der bis heute einen unvergleichlichen Kultstatus erreicht hat und einem untalentierten aber leidenschaftlichen Regisseur zu Ruhm verhalf.

Filmfacts: «The Disaster Artist»

  • Kinostart: 1. Februar 2018
  • Genre: Biopic/Komödie
  • FSK: 12
  • Laufzeit: 104 Min.
  • Kamera: Brandon Trost
  • Musik: Dave Porter
  • Buch: Scott Neustadter, Michael H. Weber
  • Regie: James Franco
  • Schauspieler: James Franco, Dave Franco, Seth Rogen, Alison Brie, Jacki Weaver, Zac Efron, Paul Scheer, Josh Hutcherson
  • OT: The Disaster Artist (USA 2017)
Es gibt Geschichten, die sind so verrückt, dass man sie einem Drehbuchautor selbst in fiktionaler Form um die Ohren hauen würde. Eine solche ist die Entstehung von «The Room» – dem heiligen Gral unter den Kultfilmen. Man sagt, das erste Mal vergisst Du nie. Denn das, was Tommy Wiseau Anfang 2003 erstmalig auf die Leinwand brachte, ist so fernab von Gut und Böse, dass dahinter nur ein mindestens genauso interessanter Urheber stecken kann. Im Falle von «The Room» heißt dieser Tommy Wiseau. Der einigen Quellen zufolge aus Polen stammende Filmemacher bemühte sich vergeblich darum, als Schauspieler ernstgenommen zu werden, wurde an Schauspielschulen und -Agenturen allerdings so konsequent abgelehnt, dass er sein Filmemacher-Schicksal selbst in die Hand nahm. Er schrieb selbst ein Drehbuch, finanzierte sowie verfilmte es und organisierte sogar eine große Premiere. Doch die – nennen wir es einmal Unbeholfenheit – war dem fertigen Produkt schon damals so sehr anzumerken, dass die Premierengäste an einen Scherz glaubten. Doch wo andere schlechte Filme mit der Zeit in der Versenkung verschwinden, ist «The Room» in seiner Ansammlung aus unverständlichen Subplots, Logik- und Anschlussfehlern, schlechten Darstellern sowie unsinnigen Dialogen ein Sammelsurium an Kuriositäten, das Tommy Wiseau gleichermaßen mit einem solchen Enthusiasmus verteidigt, dass dem Film eine Faszination innewohnt.

Dieser Mann glaubt tatsächlich daran, dass sein Werk gut ist – und da das nur Jemand kann, der viel Eifer und Leidenschaft in seine Arbeit gesteckt hat, ist «The Room» nicht bloß ein Paradebeispiel für stümperhaftes, sondern auch für passioniertes Filmemachen. Ein Ansatz, dem das Comedy-Biopic «The Disaster Artist» auf den Grund geht und ein Loblied darauf singt, aller Widerstände zum Trotz seine eigenen Ziele und Träume zu verfolgen.

Vom vielleicht schlechtesten Regisseur der Welt...


Es gibt verschiedene Wege, um eine Legende zu werden! Das beste Beispiel dafür ist Tommy Wiseau (James Franco), zum damaligen Zeitpunkt der schlechteste Filmemacher aller Zeiten, der diesen Status bis heute nicht losgeworden ist. Von Schauspielschulen abgelehnt, beschließt der gebürtige Pole Anfang der Zweitausenderjahre, gemeinsam mit seinem besten Freund Greg (Dave Franco) – ebenfalls hoffnungsloser Schauspieler –, selbst einen Film zu drehen. Er schreibt das Drehbuch zu «The Room», organisiert ein Filmteam und beginnt, zu drehen. Doch während dieser Zeit kommt es nicht bloß zu Auseinandersetzungen zwischen Tommy und der Crew, auch seine Freundschaft mit Greg wird auf eine harte Probe gestellt. Am Ende wird «The Room» als miesester Film aller Zeiten in die Geschichte eingehen – und einen Kult auf den Weg bringen, den bis heute keiner so richtig versteht.

Wer sich ausgiebig mit Jemandes Misserfolg auseinandersetzt, läuft schnell Gefahr, ob bewusst oder unbewusst, eine abwertende Haltung einzunehmen. Schließlich erhofft sich ein James Franco («Why Him?») von «The Disaster Artist» durchaus einen Erfolg, der der Grundlage «The Room» konsequent verwehrt blieb, während ein Projekt wie dieses schlicht nicht möglich wäre, wäre Tommy Wiseau mit seiner Regiearbeit nicht so gnadenlos gescheitert. Doch letztlich ist «The Room» gar kein Misserfolg. Stattdessen wird er nur nicht in einer Reihe mit Filmen genannt, denen das Prädikat „gut“ verliehen wurde. Doch wenn es rein nach Größe der Fanbase geht, hat Wiseau mit seinem Film mehr Leuten eine Freude gemacht, als ein Großteil gängiger Blockbuster-Regisseure. So wird «The Room» bis heute in verschiedenen Ländern der Welt – von den USA über London bis hin zu Kopenhagen – als regelmäßiges Event vorgeführt. Auch hierzulande gibt es zum Start von «The Disaster Artist» Doublefeatures aus dem Biopic und dem ihm zugrundeliegenden Original-«The Room». Die aus diesem Kult resultierende Ehrfurcht vor einem kaum rational erklärbaren Phänomen, lässt Regisseur und Hauptdarsteller James Franco in seinen Film miteinfließen.

Sein «The Disaster Artist» ist keine unangenehme Nabelschau eines scheiternden Nichtskönners, sondern besinnt sich auf die Leidenschaft, die Wiseau in seiner Arbeit an den Tag legte. Damit, dass weder er, noch ein Großteil seiner Darsteller auch nur irgendeine Art von Talent an den Tag legten, macht der Vielfilmer zwar keinen Hehl, doch sie sind nun einmal Teil von «The Room» und damit auch für den Erfolg des Films verantwortlich.

Leidenschaft trifft Naivität trifft Tragik


Zu den bekanntesten Gesichtern in «The Disaster Artist» gehören neben James Franco vor allem sein jüngerer Bruder Dave («Nerve») als Tommys bester Freund Greg, sowie Seth Rogen («Sausage Party») als Sandy, der versucht, dem «The Room»-Mastermind mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Die Chemie innerhalb dieser Dreierkonstellation ist gleichermaßen überragend wie von gegenseitigem Misstrauen und mitunter purer Ungläubigkeit geprägt, wenn Tommy, akribisch genau von James Franco imitiert, wieder einmal Entscheidungen trifft, die von keinem so recht nachvollzogen werden können. Darüber hinaus führen sie eine ganze Horde namhafter Gaststars von Melanie Griffith («Automata») über Alison Brie («Community») bis hin zu Jacki Weaver («The Voices») an, die sich trotz ihrer bekannten Gesichter gut ins Ensemble fügen, ohne der Glaubwürdigkeit Abbruch zu tun. Spätestens, wenn im Abspann die echten Szenen aus «The Room» den nachgedrehten gegenübergestellt werden, sieht man nicht mehr die Schauspieldiva Jacki Weaver vor sich, sondern Carolyn Minnott, die sich in der Rolle Claudette einst mit dem Schicksal einer Krebserkrankung auseinandersetzen musste, ohne dass es jemals irgendeine Relevanz für «The Room» gehabt hätte.

Mit diesem beispiellosen Cast steht und fällt in «The Disaster Artist» spätestens ab jenem Moment, in dem die Dreharbeiten im Mittelpunkt stehen, alles. In der ersten halben Stunde versucht Franco indes, vor allem die Hauptfigur Tommy Wiseau zu ergründen, begegnet ihr aber auf einer Distanz, die gerade für Kundige der «The Room»-Umstände nicht mehr zu allzu neuen Erkenntnissen führen dürften. Notwendig ist dieser Abstand trotzdem, verfolgt Franco doch das Ziel, seine gerade durch so viele ihn umgebenden Unklarheiten interessante Figur nicht zu entmystifizieren und ihm doch eine Persönlichkeit zu geben, die uns nachvollziehen lässt, weshalb «The Room» ein solch besonderer Film ist.

Doch «The Disaster Artist» funktioniert nicht bloß hervorragend als Nacherzählung der mitunter absurden Dreharbeiten (so wurde etwa eine Szene in einer Gasse vor einem nachgebauten Setting inklusive Greenscreen gedreht, obwohl exakt eine solche Gasse fußläufig für das Team erreichbar gewesen wäre). Francos Film ist darüber hinaus eine absolut treffsicher geschriebene Komödie. Um zu veranschaulichen, wie breit gefächert «The Disaster Artist» sein Publikum – ganz gleich, ob es «The Room» kennt oder nicht – abholt, genügt ein Blick in eine der deutschlandweiten Pressevorführungen, in der sich selbst die verkniffensten Kritiker vor Lachen kaum halten konnten, wenn Tommy Wiseau wieder eine seiner hanebüchen-hölzernen Schauspieldarbietungen zum Besten gibt, oder sich vollkommen entgegen jedweder Logik erst erschießt, um sich dann minutenlang sterbend zu winden – und sich schließlich nochmal zu erschießen. James Franco sowie seine Drehbuchautoren Scott Neustadter und Michael H. Weber (schrieben schon gemeinsam die Skripts zu «Margos Spuren», «Das Schicksal ist ein mieser Verräter» und «(500) Days of Summer») finden den Humor in allen möglichen Situationen, vom puren Slapstick über die bissige Freude am offensichtlichen Scheitern bis hin zu einem liebevollen Schmunzeln über so viel kindische Naivität, ist in «The Disaster Artist» nichts und niemand vor einer Pointe sicher.

Nur eines ist den Machern heilig: Hier wird sich nie stupide über die Figuren lustig gemacht. Mit Blick von oben herab könnte ein Film wie dieser nicht funktionieren. Gerade durch den zwischen den Zeilen anklingenden Respekt vorm Schaffen der Figuren macht sich «The Disaster Artist» die gesamte emotionale Bandbreite zunutze und entlässt den Zuschauer mit dem Gefühl aus dem Kinosaal, gerade den Spaß seines Lebens gehabt zu haben, weil «The Room» vor diesem Hintergrund vielleicht doch nicht der schlechteste Film aller Zeiten ist.

Fazit


Mit «The Disaster Artist» verneigt sich James Franco vor der Leidenschaft am Filmemachen und erzählt eine – im wahrsten Sinne des Wortes – zum Brüllen komische Geschichte darüber, wie es ist, seinen Träumen zu folgen, selbst wenn Niemand an einen glaubt.

«The Disaster Artist» ist ab dem 1. Februar in den deutschen Kinos zu sehen.

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