Hingeschaut

«Kopfgeld»: Ist schön hier. Und sonst so?

von   |  2 Kommentare

Eine tolle Kulisse in Rumänien, ein eher unverbrauchtes Konzept und der Name Jenke von Wilmsdorff: Eigentlich sprach Vieles für ein sehenswertes Stück Fernsehunterhaltung am späteren Freitagabend. Doch einseitige Challenges und ein arg fußlahmes Erzähltempo ließen schnell Langeweile aufkommen.

Die Wege des Scheiterns sind unergründlich. Gut, nicht immer: Bei der neuen Geissens-Spielshow und der «Comedy Show», zwei zurecht gefloppte Februar-Neustarts, mangelte es so ziemlich an allen Prädiktoren für gutes Fernsehen: Am ernsthaften Bemühen etwa, in das jeweilige Format zu investieren. An der Bereitschaft, authentische Emotionen abzubilden. An Kreativität und Mut, mehr als Ideen-Recycling zu betreiben. Das ist so der Schlag Fernsehunterhaltung, dessen Quoten-Versagen man nicht allzu sehr bedauern muss. Aber dann gibt es eben auch Projekte wie «Kopfgeld», denen man das Bemühen anmerkt, an der Lebensverlängerung der großen Privatsender aktiv mitzuwirken, die aber dann auf der Mattscheibe eben leider nicht so recht zünden wollen und bei denen man den deftigen Absturz spätestens mit Folge zwei bereits erahnt. Das sind die bittereren Stunden im Arbeitsleben eines Fernsehkritikers.

Die Idee der von Sony Pictures für TV-Verhältnisse stark bis herausragend gefilmten Sendung macht erst einmal durchaus Sinn: Fünf Menschen werden in die Wildnis Rumäniens entlassen, um ein Abenteuer zu starten, das sie nur gemeinsam bestehen können. In unterschiedlichen Challenges muss das Quintett zu einer echten Gemeinschaft heranwachsen, denn die krumme Gewinnsumme von 100.001 Euro ist auf die fünf Köpfe ungleichmäßig aufgeteilt: Der sportliche Superstreber bringt nur einen mickrigen Euro mit, der dickbäuchige Bierliebhaber 50.000 Tacken. Heißt: Supersportler muss Sofaheld mitschleppen, möchte er nach seiner Reise um mehr als eine Eiskugel reicher sein.

Hoffnung macht anfänglich auch noch die Kandidatenauslese, die aus einigen charismatischen Charakteren mit Polarisierungspotenzial besteht: Einem Online-Influencer, einem Kosmetik-Girlie, einem sarkastischen Rocker, einem Biker mit Vorliebe für ein kühles Blondes und eben einem Mustersportler. Und wenngleich die ersten rund 20 Minuten ein wenig schleppend anlaufen, hat man hier noch ein prinzipiell gutes Gefühl, da sich latentes Konflikpotenzial anzubahnen scheint und die kleinen Einspielfilmchen zu den Kandidaten recht stimmig und nicht allzu störend in den restlichen Ablauf eingeflochten werden. Dann begrüßt Jenke die fünf Kandidaten nach einem längeren Fußmarsch in Draculas Burg. Der Ablauf wird erklärt, alles klar, es kann losgehen. Action!

Und genau hier fangen die Probleme an: Man ruft auch nach 30 Minuten noch etwas bestimmter nach Action, nach 45 Minuten flehend und nach einer Stunde resigniert. Doch es passiert nichts, das gefilmte Material bleibt über die gesamte Laufzeit hinweg vorsichtig formuliert unspektakulär - und etwas weniger formuliert behäbig und träge. Die Landschaftsaufnahmen sind toll, meterhohe Steinmauern, der Canyon, das bergige Gelände - visuell gibt es da nichts zu meckern. Was die Challenges anbetrifft schon deutlich eher, denn offensichtlich ist den Machern nicht viel mehr eingefallen, als die Kandidaten von einer Treppe zur nächsten Schlucht hin zum übernächsten steilen Gelände zu schicken, was im Kern bedeutet: Hochklettern, Abseilen. Überwindung schaffen, durchhalten. Das ist zu wenig für eine dauerhaft funktionierende Show, es ist eigentlich schon zu wenig für eine gut anderthalbstündige.



Zumal vom erhofften Konfliktpotenzial unter den Kandidaten schnell nichts mehr zu sehen ist: Die junge Josephine hat gefühlt vor allem Angst und wird schnell zum eigentlichen Schwachpunkt der Gruppe, von dieser aber mit einer Engelsgeduld durchgeschleppt. Das restliche Quartett macht halt, was geht und wehleidet situationsbedingt mitunter ein wenig, ohne damit aber wirklich anzuecken. Und da bei etwa jedem zweiten Spiel die eine oder andere Leiter im Spiel ist, darf das Küken der Runde regelmäßig seine Leiterphobie und ihre verschiedenen Abstufungen je nach Festigkeit und Beschaffenheit der Trittstufen vortragen. Ach ja, am Ende des Tages kommen sie an einem Camp mitten im Bärengebiet an - beim Wort "Bär" darf Josie kurz mal wieder ängstlich sein, dann werden alle mit einer Trillerpfeife ausgestattet und... Action, jetzt vielleicht? Nein. Man legt sich zur Ruhe und wartet auf den zweiten Tag - die RTL-Zuschauer müssen darauf eine ganze Woche warten. Dann gibts aber bestimmt Action.

Und Jenke von Wilmsdorff? Der beschränkt sich darauf, den Teilnehmern die Regeln zu erklären und fungiert im Nebenjob noch als persönlicher Motivationscoach für Josie, der er regelmäßig Mut macht. Mitunter spricht er noch den einen oder anderen Halbsatz aus dem Off und berichtet nach jedem der gar nicht mal so wenigen kandidatenseitigen Fußmärsche davon, wie lange er diesmal auf die Kandidaten warten musste - nicht genervt, nicht motiviert, eher so über den Dingen stehend. An einigen Stellen wartet man geradezu darauf, dass er seine Hände zu einer Raute formt. Viel mehr bekommt er aber auch nicht zu tun.

Wie hat euch der Auftakt von «Kopfgeld» gefallen?
Sehr gut, ich freue mich schon auf die weitere Folge.
28,1%
War in Ordnung, da kann man zumindest mal reinschauen.
26,4%
Ganz mies, das muss ich nicht noch einmal sehen.
23,1%
Habe es (noch) nicht gesehen.
22,3%


Insgesamt ist «Kopfgeld» sicher kein schlechtes Fernsehen. Man merkt ihm schon an, dass da Geld, Mühe und Gedanken hineingesteckt wurden, man aber eine gute Grundidee vielleicht einfach nicht ausreichend zu Ende gedacht hat. So hofft man anfänglich noch auf richtig spannendes Fernsehen, auf so eine Art Dschungelcamp mit mehr Schatzsuchen und ohne Halb-Prominente. Doch letztlich ist das, was dem Publikum da als spannende Challenges dargeboten wird, leider nur vom Spannungsfaktor eines luxuriöseren Hochseilgartens oder einem Kletterparadies in der Outdoor-Variante - und dass die Macher diese Einseitigkeit nicht als problematischen Faktor ihres Projekts erkannt haben, muss man ihnen schon vorwerfen, aller aufkeimenden Eigendynamik der Langeweile zum Trotz. So jedenfalls ist kaum davon auszugehen, dass diese Sendung eine allzu lange Halbwertszeit haben wird - gut möglich, dass sie bereits am kommenden Freitag enden wird.

RTL zeigt am kommenden Freitag eine weitere Folge von «Kopfgeld» um 22:15 Uhr.

Mehr zum Thema... Comedy Show Kopfgeld
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Es gibt 2 Kommentare zum Artikel
Familie Tschiep
17.02.2018 01:19 Uhr 1
Die Idee fand ich ganz spannend, aber dei Umsetzung ist es nicht. Ich weiß noch nicht, warum. Es fehlt spannend. Ich dachte, die Folgen wären in sich abgeschlossen.
medical_fan
17.02.2018 18:21 Uhr 2
Also die Idee ist auch gut, die Kandidatenvorstellungen waren noch im Erträglichen mehr aber bitte nicht.

Also sorry ja, so wie ich das rausgelesen habe, fehlt euch der große Zoff. Ernsthaft muss es immer der große Trash Zoff geben? Kann nicht einmal eine Sendung ohne (Trash) Zoff auskommen?

Und ganz ehrlich, ich fand es schon spannend und hab, ganz ehrlich, an manchen Momenten auch mitgefiebert und die Spannung war auf jeden Fall drin.

Allerdings habe ich auch gedacht die Folgen wären abgeschlossen und das nächste Woche eine andere Gruppe drankommt aber dies ist nicht weiter schlimm.

Nur Jenke ist wirklich verbesserungswürdig, der Kandidatin die Angst vor Leitern hat noch extra Angst vor der Strickleiter zu machen und ihr überhaupt nichts zutrauen sie quasi zum Geld ausgeben "zwingen". So wie sein ganzer Stress mit "bald geht die Sonne unter hopp hopp hopp" Dann hätte Sony einfach weniger für einen Tag eingeplant,wenn man schon solche Kandidaten "einlädt".

Wenigstens mal eine RTL Show die mal ohne Dauerwerbesendung, Trash, Gestreite oder Langeweile auskommt oder von irgendwelchen Teleshopping Tussen etc...
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