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Gewiss, dieser Text wurde von jemandem zusammengetippselt, der mit «Die Dinos» aufgewachsen ist und die Serie in regelmäßigen Abständen erneut schaut, um sie immer wieder abzufeiern. Aber, wenn sich eines in den vergangenen Monaten aufgedrängt hat, dann folgende Erkenntnis: «Die Dinos» könnten eigentlich auch eine topaktuelle Serienproduktion sein, die unter Ausschluss des Massenpublikums vor sich hin sendet und den Wahnwitz unserer westlichen Gesellschaft durch den Kakao zieht – darauf wartend, dass eine größere Zuschauerschaft dieses im Familienprogramm einer kleinen Abspielstation versteckte Kleinod entdeckt und sich vor lauter Staunen erst einmal verschluckt.
Der satirische Gehalt dieser unvergleichlichen Disney-Fernsehserie sollte eigentlich kein Geheimnis mehr sein: Immer wieder ploppen Artikel darüber auf, dass diese bunte Dinosaurierserie mit dem rosafarbenen, frechen, süßen, sprechenden Baby, dessen Erkennungssprüche eine Zeit lang rauf und runter zitiert wurden, ja damals ziemlich viel Chuzpe bewiesen hat. Da wurde auch Mal («A New Leaf») auf rebellische, statt moralisierend-predigende Art und Weise vor Drogen gewarnt (merke: Glückskraut macht nicht lange glücklich). Und in einem Zweiteiler («Nuts to War») ging es darum, dass ein Land in den Krieg zieht, weil ein anderes Land über einen großen Vorrat an einer wertvollen Ressource verfügt (diese Vierbeiner horten Pistazien, Sauerei!) – so weit die gern zitierten, prominenten Exempel.
Doch die anhaltende Aktualität von «Die Dinos» ist erstaunlich. Oder klingt es nicht so, als ginge es um eine brandneue Serie, wenn sich in einer Episode ein herrischer, geldgeiler, selbstdarstellerischer Großunternehmer in das höchste demokratische Amt wählen lassen will («And the Winner Is...»)? In einer anderen Folge zieht eine Frau vor Gericht, weil sie am Arbeitsplatz belästigt wurde, was von anderen Frauen applaudiert wird, während diverse Männer ihr erklären, dass doch alles halb so wild sei («What 'Sexual Harris' Meant»).
Eine weitere «Die Dinos»-Folge widmet sich der ewigen Debatte um kulturelle Aneignung – was passiert, wenn zwecks vermeintlicher Vermarktbarkeit Kunst ihrer kulturellen Wurzeln entledigt wird («Swamp Music»)? In einer anderen Episode geht es darum, wie mittels Schmutzkampagnen die Durchsetzung umweltschonender Technologien gedrosselt wird («Power Erupts»). Und konservativ-religiöser Kleinkrieg gegen wissenschaftlich fundierte Bildung mag in den 90ern wie eine überflüssige Debatte erschienen haben, ist in den heutigen USA dagegen wieder ein Thema, wie aus den Schlagzeilen gerissen («The Greatest Story Ever Sold»). Ganz zu schweigen vom auch bei «Last Week Tonight» ausführlich behandelten Problem raffgieriger Fernsehprediger («The Last Temptation of Ethyl»).
Die nicht abbrechende Aktualität von «Die Dinos» kann vieles bedeuten. Eventuell waren die Autoren hinter dem Format ihrer Zeit voraus. Vielleicht sind wir als Menschen seit den 90er-Jahren doch nicht so weit gekommen, wie wir dachten. Oder, deprimierender: Womöglich hat sich die Gesellschaft zwischendurch verbessert – und befindet sich nun in einer schweren Regression. So oder so: Eine Neuauflage wird es wohl nie geben, was womöglich sogar gut ist. Wie hoch stehen schon die Chancen, dass «Die Dinos» bei einem Reboot ihre Qualität behalten? Aber die alte Serie ist ja so frisch wie eh und je. Wieso sie also nicht einfach noch einmal entstauben? Spaß ist ebenso garantiert wie jede Menge "Oh nein, das trifft alles noch immer zu!"-Momente!
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