Die Kino-Kritiker

«Verpiss dich, Schneewittchen»: Fließband-Klamauk mit angezogener Handbremse

von   |  1 Kommentar

Bülent Ceylan in seiner ersten Kino-Hauptrolle: «Verpiss dich, Schneewittchen» ist eine schnell vergessene Komödie, in der kaum ein Gag zündet.

Filmfacts: «Verpiss dich, Schneewittchen»

  • Regie: Cüneyt Kaya
  • Drehbuch: Cüneyt Kaya, Rainer Bender, Stefan Höh, Mathias Brod
  • Darsteller: Bülent Ceylan, Josefine Preuß, Paul Faßnacht, Özgür Karadeniz, Franziska Wulf, Chris Tall, Kida Khodr Ramadan, Sabrina Setlur, Marko Dyrlich Produzent: Oliver Berben
  • Producer: Constanze Guttmann
  • Executive Producer: Martin Moszkowicz
  • Kamera: Tomas Erhart
  • Schnitt: Bettina Weiß
  • Laufzeit: 88 Minuten
  • FSK: ab 12 Jahren
Seit Jahren träumt Sammy (Bülent Ceylan) davon, Rockstar zu werden. Doch von der Erfüllung dieses Traumes ist er weit entfernt. Der stolze Träger einer Langhaarfrisur arbeitet tagsüber im Hamam seines Bruders Momo (Kida Khodr Ramadan), gelegentlich verdient er sich ein Zubrot als Alleinunterhalter im Altersheim sowie als Musiklehrer für Kinder. Als ein Musiklabel ein Band-Casting ins Leben ruft, sieht der Tagträumer aber endlich seine große Chance gekommen – und das, obwohl er gar keine Band hat! Kurioserweise gehört Sammy tatsächlich zu den wenigen, die mit ihrem Bewerbungsvideo bei der strengen Labelchefin Thomaschewsky (Sabrina Setlur) gut ankommen. Daher gibt sie ihm eine Woche Zeit, eine Band zu gründen.

Mangels besserer Ideen holt sich Sammy kurzerhand seine Schwester Jessi (Josefine Preuß) ins Boot, zudem setzt er sich den Gedanken in den Kopf, den in Jahre gekommenen, rassistischen Aushilfsmasseur Wolle (Paul Faßnacht) als Drummer in die Band einzuladen. Der wehrt sich jedoch, da er Angst hat, sonst bei seinen rechtsgerichteten Freunden an Ansehen zu verlieren. Dass Sammy als menschliche Trommel zudem den übergewichtigen Mahmut (Özgür Karadeniz) auserkoren hat, erschwert die Sache zusätzlich. Und dem noch nicht genug: Als Thomaschewsky erfährt, welche Truppe Sammy da unter dem Namen "Hamam Hardrock" zusammengebracht hat, nimmt sie sich plötzlich vor, die Siegchancen Sammys beim Casting zu manipulieren …

Komödien bewegen sich auf einer Skala von "handlungsgetragen" zu reiner "Gagparade". Ein aktuelles Beispiel für eine geglückte Produktion, in der die Handlung den Witz diktiert, ist die Komödie-im-Thriller-Gewand «Game Night»: Hier sind die Figurenzeichnung und die stimmige Umsetzung des Plots vorrangig, und die Pointen generieren sich daraus, wenn sich die Persönlichkeit der Protagonisten, die ernste ästhetische Umsetzung des Ganzen und die eskalierende Handlung einander reiben. Ein Komödienmacher, der bislang zumeist Gagparaden ablieferte, ist wiederum Michael 'Bully' Herbig: Seine Kinokomödien «Der Schuh des Manitu», «(T)Raumschiff Surprise – Periode 1», «Lissi und der wilde Kaiser» sowie «Bullyparade – Der Film» stellen den schnellen Gag auf das Podest und erzielen zusätzliche Lacher dadurch, wenn zu Gunsten einer Pointe der eingeschlagene Handlungspfad verbogen wird.

«Verpiss dich, Schneewittchen» ist in diesem Vergleich weder Fisch noch Fleisch. Einerseits drängt sich wiederholt die Vermutung auf, dass für das Autoren-Quartett Cüneyt Kaya, Rainer Bender, Stefan Höh und Mathias Brod der Lacher über dem stringenten Handlungsverlauf stand. So ist die Motivation der Nebenfiguren mit einem Fähnchen im Wind zu vergleichen – ohne sie als solche zu charakterisieren.

Sobald Sammy seine Bandmitglieder rekrutiert, folgt erst einmal eine sehr schwammige Filmmitte, in der der Rest von "Hamam Hardrock" wahllos zwischen Widerwillen, Euphorie, "Ich lass mich mitschleppen" und antreibender Freude hüpft. Und wie schon in der Plotangabe durchschimmert, ist auch Setlurs Rolle der bissigen Plattenchefin mehr vom Zufallsprinzip regiert als von einer klaren narrativen Linie. Ganz davon zu schweigen, dass die Handlung wiederholt kleine Umwege geht, um den einen oder anderen Cameo einzubauen. Das alles wäre ja leicht zu verzeihen, würde sich «Verpiss dich, Schneewittchen» als Gagparade präsentieren. Aber dieser Eindruck will sich ebenso wenig einstellen: Die Songs der fiktiven Band "Hamam Hardrock" sind keine mit Pointen gespickten, parodistischen Ohrwürmer. Mehrfach tritt Leerlauf ein, wenn Sammy an sich zweifelt, nur um wie durch ein Fingerschnippen aus der pessimistischen Trance aufzuwachen. Humorig ist es nicht, ebenso wenig funktioniert das als dramatische Zwischennote, da diese Figur dafür zu eindimensional geschrieben ist und Bülent Ceylan sich darstellerisch in humorigen Monologen deutlich wohler zu fühlen scheint als in leiseren Augenblicken, durch die er sich ackern muss.

Darüber hinaus ist das Timing des Films schlicht off: Während der Kernplot Kapriolen schlägt, laufen die einzelnen Szenen mit einer gewissen Laschheit ab. Da bleibt nach Pointen gerne Mal ausgiebig Luft, bis es weitergeht, und andere Male streiten sich Figuren in einem staksenden Gesprächstempo. Wenn parallel dazu von einer Sequenz zur nächsten ein Niemand laut Dialogbuch zur Schande des ganzen Internets wird, und direkt danach das alles wieder in Vergessenheit gerät oder "Hamam Hardrock" urplötzlich zu bundesweiten Stars werden, während Figuren aus dem Nichts auftauchen und als bereits bekannte Handlungsträger dargestellt werden, kommt zwangsweise ein "Stop and Go"-Gefühl auf. Als säße man in einem alten, klapprigen Fiat Panda mit hakender Gangschaltung.

Die von Regisseur Cüneyt Kaya, dessen Debüt «Ummah – Unter Freunden» noch auf solides Kritikerfeedback gestoßen ist, und Kameramann Tomas Erhart in einem Fließband-Fernsehkomödien-Look runtergedrehte Produktion schafft es wenigstens, ein Stück weit ihrem Botschaftsgedanken gerecht zu werden. Im Pressematerial betonen die Filmschaffenden, sie wollten das Genre der Komödie nutzen, um für ein Miteinander einzustehen – ein Sentiment, dass Ceylan im Quotenmeter.de-Interview wiederholt. So bekommt der Rechtspopulismus in Form einer fiktiven rechten Band einen souveränen Seitenhieb verpasst: Von den Figuren mit vollem Ernst gesungene Textzeilen wie "Sprich zuerst nach, bevor du denkst" gehören zu den raren, zielgenau platzierten Pointen des Films. Es ist ein sehr kleiner Sieg für «Verpiss dich, Schneewittchen». Aber es ist einer.

Auch die uneitle Selbstverständlichkeit, mit der Sammys Familie aus völlig verschiedenen Typen zusammengestellt wird, fügt sich in das Vorhaben der Filmemacher: Ja, hier bilden ein Deutsch-Türke mit Mannheimer Einschlag in seinem Duktus (klar: Bülent Ceylan), die fröhlich vor sich hin berlinernde Josefine Preuß und «4 Blocks»-Star Kida Khodr Ramadan mit seiner markant-sympathischen Aussprache, in der sich berlinerische und türkisch-libanesische Klangeinflüsse treffen, ein Geschwister-Gespann. Es wird nie erklärt, was da umzugstechnisch passiert sein muss, um diese allein schon aufgrund des Regiolekts so eklektische Familie zu bilden, geschweige denn, wie der Stammbaum aussieht. Und es ist auch scheißegal! Die Drei sind halt eine Familie und ihre Interaktion weckt daran auch keine Zweifel.

Das ändert jedoch nichts daran, dass Ramadan im Film kaum mehr als eine Gastrolle hat, genauso wie seine «Mein Blind Date mit dem Leben»-Kollegin Nilam Farooq, so dass über weite Strecken Preuß allein die Chose retten muss. Ihre Darstellung der hibbeligen Jessi ist extrem aufgekratzt und überbetont, fast so, als wolle Preuß alles für das sinkende Schiff geben – aber hier hilft Viel auch viel: Preuß beherrscht ihr Metier halt und bei allem, was sie gen Kamera wirft, bleiben ein paar amüsante Momente hängen, während der Rest der "Hamam Hardrock"-Truppe meistens arg hölzern rüberkommt und so die bereits genannten Pacing- und Comedy-Timing-Probleme nicht übertünchen kann.

Fazit: Sorry: «Verpiss dich, Schneewittchen» ist schaler Klamauk – und das zudem ganz und gar ohne die Energie, die nötig wäre, damit er zündet.

«Verpiss dich, Schneewittchen» ist ab dem 29. März 2018 in einigen deutschen Kinos zu sehen.

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Es gibt 1 Kommentar zum Artikel
Sentinel2003
27.03.2018 17:36 Uhr 1
Na, ob daß dann nicht der erste große Flop dieses Jahr an der Kino Kasse wird?? Obwohl, man kann nie wissen, ob nicht Bülent's Fans schaarenweise ins Kino gehen...
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