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Was Nevins mit dem Wettkampf meint, kann er auch in Zahlen ausdrücken: „Wir glauben nicht, dass es ein Zufall ist, nun annähernd 22 Millionen Abonnenten zu haben gegenüber 13 Millionen im Jahr 2005.“ HBO hat im gleichen Zeitraum kaum Kunden gewinnen können und hält seit Jahren seine Zuschauerschaft von ungefähr 28 bis 29 Millionen.
Blickt man auf die Inhalte, ist diese Entwicklung kaum verwunderlich: Denn bis Mitte des vergangenen Jahrzehnts war HBO bereits weit über die US-Grenzen hinaus zu einer Marke geworden für Qualitätsfernsehen und gute Seriengeschichten. Mit den beiden Programmen «The Sopranos» und «Sex and the City» hat man das Storytelling und die Konzeption von TV-Serien revolutioniert – und zwar nahezu parallel sowohl im Drama- («The Sopranos») als auch im Comedy-Genre («Sex and the City»). Die bekanntesten Serien, die Showtime bis zu dieser Zeit ausstrahlte, waren solche wie «Stargate», «The L Word» oder «Dead Like Me». Und diese konnten nicht ansatzweise mit dem Hype mithalten, den HBO gleichzeitig entfachte, auch außerhalb der eingefleischten Serienfan-Gemeinde.
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Mitte der 2000er setzte also eine Diversifikation des amerikanischen Fernsehmarktes abseits der Networks und eben auch abseits von HBO ein. Diese Entwicklung wäre ohne die hohe Qualität von Serien wie «Dexter» und «Mad Men» nicht möglich gewesen – aber genauso wichtig war, dass viele Zuschauer die neuen Angebote zunehmend registrierten: Einige wollten die Serienleere füllen, welche die «Sopranos» bei ihnen hinterlassen hatte. Andere hatten erst einmal genug von der ausufernden und gemächlichen Erzählweise vieler HBO-Formate. Die meisten freuten sich aber darüber, dass sich nun endlich auch andere das trauten, was HBO vorgemacht hatte: mit eigenproduzierten Serien und ambivalenten Charakteren zu begeistern.
Heute sind diese Veränderungen mehr denn je sichtbar und die Entwicklungen ungebrochen: Showtime selbst hat 2011 mit «Shameless», «The Borgias» und dem Kritikerliebling «Homeland» die nächsten großen Hits gestartet; Pay-TV-Filmsender Starz begann 2005 eine Offensive mit eigenproduzierten Programmen, die unter anderem zum internationalen Serienerfolg «Spartacus» geführt hat. Und im klassischen US-Kabelfernsehen landete FX zuletzt mit «Sons of Anarchy» und «American Horror Story» seine Hits, während AMC die Serienlandschaft durch «Breaking Bad» und «The Walking Dead» in diesen Jahren entscheidend prägt.
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Im Wesentlichen lässt sich der fortwährende Kampf zwischen den Pay-TV-Angeboten um zahlende Abonnenten derzeit knapp auf einen Nenner bringen: Konkurrenz belebt das Geschäft. Denn des einen Gewinn (Showtime) ist eben nicht des anderen Verlust (HBO) – beide Unternehmen und weitere Pay-TV-Anbieter werden im Gleichschritt erfolgreicher: Im Gesamtjahr 2011 haben die Bezahlfernsehsender insgesamt 5,6 Millionen Kunden hinzugewinnen können, und der Markt wächst weiter. Jüngst hat HBO – auch ohne größere Kundenzuwächse – ein neues Rekordergebnis von mehr als einer Milliarde US-Dollar Gewinn im Geschäftsjahr 2011 vermeldet.
Für uns qualitätsbewusste Zuschauer ist all das paradiesisch: Dank HBO, Showtime und Co. gibt es heute so viele tolle Serien wie nie zuvor, für jeden Geschmack. Und es deutet nichts darauf hin, als würde sich dies in Zukunft ändern.