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Dennoch wird Al Jazeera in der westlichen Welt schnell angesehen als der Sender, der Osama bin Ladens Videobotschaften ausstrahlt. Vier sind es bis Ende 2001; Al Jazeera wird zu einer Art Youtube-Ersatz, das heute solche Videobotschaften ähnlich schnell um den Globus verbreiten würde. Als Stimme Arabiens etabliert sich dieser Nachrichtensender um die Jahrtausendwende, täglich schauen viele Millionen Menschen zu.
2006, zehn Jahre nach dem Start, bringt Al Jazeera einen internationalen englischsprachigen Ableger ans Netz, mit Nebensitzen in London und Washington. Der Sender macht sich in der Nachrichtenbranche vor allem deswegen einen Namen, weil er viele renommierte Journalisten von der Konkurrenz abwirbt, unter anderem von der BBC und CNN. Prominentestes Gesicht war David Frost, der in Großbritannien die Interviewkultur im politischen Fernsehen neu geschrieben hatte. Sein Interview mit Richard Nixon nach der Watergate-Affäre wurde legendär – und zur Vorlage für den späteren Film «Frost/Nixon».
Bis zu seinem Tod im August 2013 blieb David Frost seiner neuen Senderheimat Al Jazeera treu. Und er ist die Verkörperung dessen, was Al Jazeera im internationalen Nachrichtenmarkt erreichen will: mit Top-Journalisten, auch aus der westlichen Welt, ein positives Image aufbauen und unabhängigen, relevanten Journalismus machen.
Ein weiterer Schritt in diese Richtung ist getan, am 20. August 2013 startete Al Jazeera America mit Hauptsitz in New York. Seitdem gibt es Nachrichten rund um die Uhr, fast ausschließlich originales, eigenproduziertes Material. Und stündlich live. Morgens sollen „hard news“ das Geschehen bestimmen und keine Promi-Talks, generell will man den Boulevard als Nachrichtenthema ausblenden. In der Nachtshow sollen die News des Tages extralang aufbereitet werden, außerdem zeige man Geschichten, von denen niemand sonst berichtet. Und Werbung gibt es nur sechs Minuten pro Stunde, rund die Hälfte der Zeit als bei anderen Nachrichtenkanälen.
Sendergesichter sind unter anderem auch abgeworbene Altmeister aus der Branche, wie einst David Frost: Präsidentin ist die vormalige ABC News-Vizepräsidentin Kate O’Brien, Moderatoren unter anderem Ali Welshi (CNNs «Your Money»), Soledad O’Brien (CNN-Nachrichtensprecherin) und John Seigenthaler (Anchorman bei NBC News). Das Publikum soll ebenfalls gehört werden, es wird Teil des Programms: Unter anderem in der täglichen Show «The Stream» am Vorabend, in der die sozialen Medien im Mittelpunkt stehen.
Kritik allerdings kommt auch massiv auf, von genau jener politisch interessierten Netzgemeinde: Seit dem Sendestart von Al Jazeera America ist die internationale Version im Livestream nicht mehr in den USA zu empfangen, nur noch ausgewählte Videos stehen auf der Website zum Abruf bereit. Dies verwundert umso mehr, da bisher nur rund die Hälfte der amerikanischen Haushalte den neuen Nachrichtenkanal empfangen kann. Eine konsequente Expansionsstrategie, die Fans kostet.
Kämpferisch und konsequent lautet auch der Senderslogan: „There’s more to it“. Und vollmundig verspricht man einen Tag vor dem Start: „Change the way you look at news“ – ändere die Art und Weise, wie du auf Nachrichten schaust. Nur wenige Tage später sind sich Medienjournalisten überraschend einig: Al Jazeera America hält dieses Versprechen tatsächlich. In der Huffington Post schreibt man von einer „atemberaubenden Darstellung ausgewogenen Nachrichtenjournalismus, angeführt von herausragenden Anchors und einem beeindruckenden Team aus der ganzen Welt. Man liefert frische News, die bei den US-Networks und den Nachrichtensendern im Kabel mittlerweile größtenteils fehlen.“ Welche frischen Berichte gemeint sind: über die illegalen Kleidermanufakturen in Bangladesch, über das desolate Gefängnissystem in Louisiana, über die Sicherheitsmaßnahmen an der Golden Gate Bridge. Und, selbstverständlich, über die arabischen Entwicklungen, aktuell in Ägypten.