Die «Hart aber fair»-Gäste zum Thema Gender Studies
- Sophia Thomalla (Schauspielerin, in beiden Ausgaben dabei)
- Wolfgang Kubicki (stv. FDP-Chef, in beiden Ausgaben dabei)
- Anne Wizorek (Autorin un Beraterin für digitale Medien, in beiden Ausgaben dabei)
- Birgit Kelle (Publizistin und Feminismus-Kritikerin, in beiden Ausgaben dabei)
- Anton Hofreiter (Fraktionschef der Grünen, in beiden Ausgaben dabei)
- Sybille Mattfeldt-Kloth (stv. Vorsitzende des Landesfrauenrats Niedersachsen, nur in der "Rückrunde" dabei)
- Jörg Schönenborn (WDR-Fernsehdirektor, nur in der "Rückrunde" dabei)
Selbst absolut unterdurchschnittliche Germanistikstudierende sollten mehr Ahnung von diesem Thema haben als drei Fünftel der Runde, die in der «Hart aber fair»-Ausgabe vom 2. März 2015 zu sehen war. Schauspielerin Sophia Thomalla, FDPler Wolfgang Kubicki, Buchautorin Anne Wizorek und Feminismus-Kritikerin Birgit Kelle sowie Grünen-Politiker Anton Hofreiter diskutierten damals … Ja, worüber eigentlich? Sinnig wäre es gewesen, darüber zu reden, wie endlich eine Gleichberechtigung erlangt werden kann. Stattdessen drängte Moderator Frank Plasberg die Gesprächsdynamik wiederholt in eine bestimmte Richtung. Eine Richtung, die erlaubte, dass sich Kubicki, Thomalla und Kelle letztlich fast durchgehend nur darin bestärken durften, wie unsinnig Gender-Debatten seien. Plasberg reihte sich gelegentlich auch mit ein, indem er etwa behauptete, dass es der Gender-Forschung an männlichen Professoren mangele, weshalb sie sich nur mit „Wahnsinn“ beschäftige. Oder indem er in seiner Einleitung das Vorurteil unterstrich, Männer seien unfähig, sich für Gleichstellungsfragen zu interessieren.
Kurzum: Es braucht kein Germanistikstudium, um die «Hart aber fair»-Ausgabe „Nieder mit den Ampelmännchen – Deutschland im Gleichheitswahn?“ als Tiefpunkt in der Geschichte der vom WDR produzierten Talkshow zu erkennen. Eine Prise an gesundem Menschenverstand genügt schon, um zu verstehen, wie lächerlich es ist, Hofreiter aufgrund seiner langen Haare „als Gendertyp“ zu titulieren und ihn auszulachen, weil er behauptet, mit vielen Frauen befreundet zu sein. Dass Plasberg es zudem erstens als feminin markiert, dass Hofreiter gerne Pralinen herstellt, und der Moderator sich zweitens bei dieser Anmerkung das hämische Lachen nur schlecht verkneift, dürfte die Beweisführung eigentlich schon abschließen. Aber leider folgten noch zahllose weitere Peinlichkeiten und Ärgernisse. Kubicki und Thomalla streiten etwa nach einem Einspielfilm ab, dass die Angaben des deutschen Amts für Statistik korrekt sind, und behaupten, eine Lohnungleichheit existiere nicht Und Plasberg winkt Wizoreks Kritik ab, die Redaktion hätte auch Fachleute für Gender-Sprachforschung einladen sollen. Und, und, und …
Dass diese «Hart aber fair»-Folge mit harscher Kritik übersät wurde, war mehr als gerechtfertigt. Und die nun nahezu exakt sechs Monate später erfolgte Rückrunde stellte das Mindeste dar, was die Verantwortlichen da hätten tun können. Endlich Zeit, um Fehler einzugestehen. Um eine Entschuldigung zu erbitten. Und um nun endlich das Thema ernsthaft zu behandeln …
Oder auch nicht. Denn bevor überhaupt einmal die Genderdebatte wieder aufgegriffen wurde, gingen mehr als 20 Sendeminuten verloren. Darin debattierte Plasberg mit seinen Gästen über die Entscheidung, die viel kritisierte «Hart aber fair»-Ausgabe aus der Mediathek zu nehmen. WDR-Fernsehdirektor Jörg Schönenborn durfte zu diesem Hickhack Stellung beziehen. Birgit Kelle behauptete vehement in einem giftigen Tonfall, Frauenrechtlerinnen hätten den WDR zu einer Zensurmaßnahme gedrängt. Und das, obwohl Sybille Mattfeldt-Kloth vom Landesfrauenrat Niedersachsen mehrmals erläuterte, genau dies eben nicht verlangt zu haben. Und dann entglitt das Gespräch erst einmal in Pressefreiheit feiernde Gewässer, bevor ganz allmählich das eigentliche Thema vorsichtig angeschnitten wurde. Denn Plasberg hangelte sich ab dann von einem Ausschnitt der ersten Gender-Debatte zum nächsten Ausschnitt. Simone Thomallas Kompetenzen zum Thema Gender Studies wurden in Frage gestellt, aber Plasberg, Kubicki und Kelle waren sich einig: Sie ist eine erfolgreiche Frau, also darf sie im Fernsehen ihre Meinung sagen, wenn sie gefragt wird. Egal, wie viel Vorbildung zur gestellten Frage sie mitbringt oder nicht. Zu Thomallas Verteidigung: Anders als noch in der ersten Ausgabe zu dem Thema sieht sie nun ein, dass es einen Pay Gap gibt, und dieser überwunden werden muss. Das ist zwar kein kompetenter Beitrag, sondern eine Sache, die selbstverständlich sein sollte. Aber diese Wortmeldung ist immerhin eine Verbesserung gegenüber der März-Katastrophe.
Davon abgesehen geriet auch die zweite «Hart aber fair»-Diskussion zur Genderfrage unfassbar frustrierend. Obwohl dank Mattfeldt-Kloths Anwesenheit nunmehr mit Hofreiter und Wizorek ein Trio an Personen vor Ort war, die Vorwissen aufweisen konnten, blieb die Sendung gehaltlos und chaotisch. Klar: Kelles Polemik gehört wohl zu einer öffentlich-rechtlichen Talkshow schlichtweg dazu. Allerdings sollte es ebenso selbstverständlich sein, dass der Moderator beide Seiten der Diskussion gleich behandelt. Fehlanzeige: Wann immer Wizorek in die Tiefe ging, wurde sie unterbrochen, während Plasberg Kelles „Wie relevant ist es, wenn sich Minderheiten beleidigt fühlen?“-Fragen genügend Raum gegeben hat. Kubicki vermied es indes tunlichst, konkrete Aussagen zu treffen, was sich Plasberg gefallen ließ. Ein völliger Reinfall also. Das ist wenig überraschend, aber dennoch eine Blamage. «Hart aber fair» war in den ersten Jahren schließlich ein wertvoller Funken an Qualität im Ersten. Nun dagegen muss man sich schon freuen, wenn nicht wieder vom „wunderbaren Neger“ die Rede ist, sondern nur ein wertvolles Thema zum zweiten Mal verheizt wird. Vielleicht sollte ein Relaunch der Sendung vollzogen werden: Der Titel «Schwammig aber parteiisch» klingt recht hübsch …
Es gibt 5 Kommentare zum Artikel
08.09.2015 02:45 Uhr 1
Um es nochmal deutlich zu machen, Frauenrechte selbst sind schon wichtig und es mag da auch weiterhin in gewissen Bereichen noch Missstände geben, die man auch ansprechen und lösen muss aber eben seriös und sachlich und nicht getragen von Wichtigtuerei, wie das bei dieser besagten Person offensichtlich der Fall ist.
Es gab mal ne NDR Reportage, wo eine junge Reporterin die deutschen Femen Aktivistinnen besucht hat, deren Stilmittel halte ich teilweise für nicht zielführend, konkret sie sollten doch besser angezogen für ihr Anliegen Einsatz zeigen, aber bei denen hat man bsp. gemerkt das da mehr dahinter ist, dass es denen wirklich um das Thema geht und nicht um Aufmerksamkeit die eigene Person betreffend oder die Erzielung von Einnahmen. Es gibt da natürlich noch viele weitere Personen, die sich da fundiert und seriös engagieren, sei es im privaten Bereich, sei es in den Medien, der Politik im Rahmen von speziellen Vereinigungen usw.
08.09.2015 10:44 Uhr 2
Erstmals ist es natürlich schwach auf die berufliche Situation einer Diskussionsteilnehmerin zu verweisen, was wären denn deine Punkte gegen ihre Argumentationen?
Generell ist das immer ein Zeichen von einem Privileg, wenn man anderen sagen kann "So nicht". Es scheint viel mehr um den Ton zu gehen als um den Inhalt. Man weiß ja aber über seine Stellung in der Gesellschaft. Siehe auch Frauen wie Thomalla "Mich betrifft es nicht" (oder sie merkts halt nicht) also ist es unwichtig oder gleich falsch. Da helfen dann auch Studien nicht viel weiter. Da wäre ja auch die Frage wo eine Frau mit ihrem Intellekt und ihrem Talent (und ohne ihre Mutter) wäre, wenn sie nicht als attraktiv erachtet würde. Ich denke mal, dann würde sie die Sache eher anders sehen. Insofern kann ich sie ja verstehen, sie profitiert deutlich mehr von so einer Welt als eine kompetente "hässliche" Frau.
Um es deutlich zu machen: Wenn unterdrückte Gruppen, und das sind Frauen weltweit ganz sicher, sich gegen ihre Unterdrücker auflehnen, dann geht es nicht darum deren Gefühle zu schonen oder auf den Ton zu achten. Martin Luther King sprach auch darüber, dass ihn häufiger die Mitte der Gesellschaft aufregt als der KKK, weil sie eben immer darauf verweisen, dass man bitte schön geordnet demonstriert und sich ja nicht zu laut aufregt, das man selbst beim Tierazt nur durch die Hintertür reindarf, weil man beim Allgemeinarzt nicht behandelt wird und wenn die Weißen die Schwarzen beim Tierarzt sehen dort auch nicht mehr ihre Hunde hinbringen.
Die Femen sind ein Teil der Bewegung, man kann nicht einerseits ständig Frauenstimmen wegdiskutieren oder schlichtweg ignorieren und ihnen dann vorwerfen, dass sie sich ausziehen. Das funktioniert nunmal, bisher hats immer mehr Reporter gegeben, wenn angekündigt wurde, dass sich Frauen bei einer politischen Diskussion ausziehen.
Genau deswegen sprechen wir ja auch gerade über die Femen, wenn sie angezogen wären, dann würden die meisten sie nicht kennen.
Das ist in etwa so wie von Frauen erwarten sich zu schminken und dann aufregen, wenn Frauen lange brauchen. Siehe auch:
Warum brauchen denn viele Frauen so lange im Bad? Weil die Gesellschaft es erwartet. Meinste eine Frau, die aussieht wie Armin Rhode würde Hauptrollen bekommen? Oder überhaupt gut geschriebene Rollen, die sich nicht über sie lustig machen?
Warum haben denn die allermeisten Frauen einen regelrechten Körperhass? Das wird dann lustig mit "Problemzönchen" abgetan oder "die fischt doch nur nach Komplimenten" Wenn du allerdings den ganzen Tag mit solchen Idealen konfrontiert wirst hat das einen immensen Effekt.
Oder warum gehts bei weiblichen Politikerinnen immer ums Aussehen, nicht um die Kompetenz? Weil das in der Gesellschaft für Frauen immernoch das Wichtigste ist.
Bei Magic Mike hat man gesehen, wie es doch so einigen Männern zu schaffen gemacht hat zu sehen, dass Frauen eben nicht auf den "dadbod" stehen, sondern auch einiges erwarten und eben ganz sicher visuell sind. Das sind ja alles so Märchen von wegen "Frauen sind nicht visuell erregt und wollen nur feste Beziehungen".
Nur weil hier keine Frauen gesteinigt werden heißt es nicht, dass hier Frauen gleich berechtigt sind.
Ich weiß auch nicht was an einem Aufschrei falsch sein soll in dem Männern näher gebracht wird was für so viele Frauen Alltag ist. Ich weiß nicht wie sich bspw heterosexuelle Männer fühlen würden, wenn sie ständig von körperlich überlegenen Schwulen und in übergeordneter Funktion (Chef oder Polizist) bedrängt würden. Und wenn sie sich dann beschweren "Stell dich nicht so an!"
Es ist gut, dass über sowas endlich mehr öffentlich diskutiert wird, das braucht man nicht gleich abkanzeln nur weil es einen nicht selbst betrifft oder man es nicht für wichtig erachtet. Anstatt sowas zu sagen könnte man auch einfach mal zuhören.
Ich meine selbst Sophia Thomalla gibt mittlerweile zu, dass es eben doch einen Gender Pay Gap gibt, Frauen bekommen weniger Geld für die gleiche Arbeit und alleine das scheint vielen zu Gefallen, anders ist diese ewige Kampagne dagegen gar nicht zu verstehen. Es wird keinem was weggenommen, wenn Frauen fair bezahlt werden.
Dass Frauen weniger bekommen ist eben auch ein Zeichen von weniger Respekt für das gesamte Geschlecht.
08.09.2015 14:16 Uhr 3
08.09.2015 18:48 Uhr 4
Ich möchte Thomalla keineswegs den Mund verbieten. Aber ist es nicht berechtigt zu fragen, weshalb man sie überhaupt zu diesem Thema einlädt? Wenn ich für Quotenmeter einen Podcast zum Thema "Dschungelcamp" mache, und eine Person einlade, die die Sendung schaut, aber hasst, und eine Person einlade, die die Sendung nie gesehen hat, nie über sie gelesen hat und die auch generell nie fernsieht, dann hat auch diese Person ein Recht auf freie Rede. Aber ich als Moderator/Redakteur darf mir da die Kritik gefallen lassen: Wozu jemanden einladen, der nichts von Relevanz beizutragen hat? So jemanden kann ich zum Thema "Weshalb auf einen Fernseher verzichten?" einladen. Zum Thema Gender Studies "einfach nur eine Frau" ins Studio zu schleifen, wird dem Thema nicht gerecht. In der März-Ausgabe wusste Thomalla nicht einmal, dass es einen Pay Gap gibt ...
08.09.2015 22:08 Uhr 5
Dem Hofreiter nehm ich ab, dass er sich mit dem Thema mehrfach schon auseinandergesetzt hat, er kann auch Argumente und Erklärungen liefern. Auch die Dame, die diesen Verband vertritt kann inhaltliche Beiträge leisten und engagiert sich sicherlich aus Überzeugung. Diese möchtegern Aktivistin hingegen besetzt dieses Thema vordergründig, weil sie Aufmerksamkeit und Einnahmen generieren möchte, sachlich fundiert hat sie kaum was zu bieten, ihre Art der Gesprächsführung ist zudem von Intoleranz geprägt. Akzeptiert keine andere Haltung, spricht permanent anderen das Recht ab Ihre Sicht zu präsentieren, lässt selten andere Teilnehmer ausreden. Inhaltlich kommt von der nichts nur aufgeblasenes konstruiertes Zeug. Die größte Leistung war echt damals der völlig übertrieben gehypte Hashtag.
Man kann diese Dame in dieser Funktion nicht ernstnehmen, wenn einem Frauenrechte tatsächlich wichtig sind.