Unser Vorgehen bei der Analyse
Wir haben die Quotendaten zu Rate gezogen, die uns tagesaktuell von Media Control übermittelt werden. Für die Quotenmessung der Privatsender werden nämlich bereits Werbeblöcke, Trailer und weitere Werbeformen herausgerechnet, sodass in der täglichen Quoten-Berichterstattung das Konsumverhalten während der Werbebreaks gar nicht mit abgebildet wird. Zur Primetime kann das durchaus schon mal bedeuten, dass die Brutto-Sendezeit eines Formats zwei Stunden umfasst, die letztlich ausgewiesene Einschaltquote aber nur die etwa anderthalb Stunden reines Programm umfasst.Weshalb die Unterföhriger zuletzt mit der XXL-Spielshow, aber auch weiteren großen Formaten wie «Die beste Show der Welt» oder «Beginner gegen Gewinner» nur noch knapp überhaupt zweistellige Zielgruppen-Marktanteile erzielt hatten, stand für einen nicht unerheblichen Teil des Publikums schnell fest: Der abendliche Werbewahnsinn mache den Konsum nahezu unmöglich, war zuletzt oft und gerne zu lesen - und als Elton im Rahmen der jüngsten «SdH»-Folge auch noch selbst via Facebook Fehler im Umgang mit der Platzierung der Reklame eingestanden hatte, ward der Sündenbock Werbeblock auserkoren.
Wir aber wollten es genauer wissen: Wie viel Werbung platzieren RTL und ProSieben eigentlich wirklich am traditionsreichen Samstagabend? Ist ProSieben wirklich der große Werbesünder oder leidet man gewissermaßen unter dem eigens aufgestellten Dogma, kaum mehr eine Show vor Mitternacht enden zu lassen? Nutzt RTL das Standing seiner etablierten Casting-Hits «DSDS» und «Das Supertalent» vielleicht in viel dreisterer Form aus, um Werbeeinnahmen zu generieren? Fragen über Fragen, denen man sich noch weitaus umfassender widmen könnte, als es der Rahmen eines solchen Artikels hergibt. Deshalb haben wir Beschränkungen vorgenommen: auf klassische Shows, die im Jahr 2017 am Samstagabend zwischen 20:15 Uhr und 0 Uhr auf RTL und ProSieben auf Sendung gingen.
Keine Mehrbelastung bei ProSieben
Nackideis größeres Werbegift als Dschungelcamp
- aus Sicht der Einschaltquoten ein Renner, doch bei den Werbepartnern kaum gefragt: Die beiden Samstagsausgaben von «Adam sucht Eva - Promis im Paradies» wurden trotz langer Sendezeit (jeweils von 22:15 Uhr bis 23:55 Uhr) lediglich mit rund zehn Minuten Werbung bestückt - mit Werbeanteilen von nur 11,1 und 10,1 Prozent kamen sie bei den Werbekunden schlechter weg als sämtliche anderen Abendausstrahlungen von RTL und ProSieben am Samstag
- deutlich freundlicher sah es dagegen für «Ich bin ein Star» im Januar aus, das samstags auf Werbeanteile von 18,5 bis 23,1 Prozent kam. Das Format hatte einst einen schlechten Ruf und verschreckte die Werbekunden trotz toller Werte, hat sein Image aber im Laufe der vergangenen Jahre merklich aufpolieren können
Dass aber eine frühere Ausstrahlung wiederum nicht zwangsläufig mit einem höheren Werbeanteil einhergehen muss, zeigt sich im direkten Vergleich der beiden traditionellen RTL-Showslots am Samstag. Diese lassen sich vereinfacht dergestalt zusammenfassen, dass um 20:15 Uhr ein Bohlen-Casting auf Sendung geht, das irgendwann zwischen 22:15 Uhr und 23:15 Uhr endet und von einem Einstünder («Take Me Out», «Willkommen bei Mario Barth» oder «Big Music Quiz») abgelöst wird. Die Annahme, dass der Bärenanteil an Werbeminuten bei der Suche nach dem neuesten Supersternchentalent anfällt, entspricht allerdings nicht den Tatsachen - ebenso wenig lässt sich aber auch ein konsistentes Mehr an Werbung in der Late-Prime herausarbeiten, zumindest nicht in Zeiten der immer währenden Suche nach neuen Talenten. Etwas anders verhielt es sich im Sommerprogramm, wo Buschis «The Wall» durchgängig mit geringeren Werbeanteilen (zwischen 21,0 und 23,9 Prozent) aufwartete als die anschließenden Shows (zwischen 24,1 und 26,2 Prozent).
Die größten Werbesünder: «Das Supertalent» geizt selten, Joko hat die längsten
Shows mit den höchsten Werbeanteilen
- «Beginner gegen Gewinner» (2 Folgen): 25,1%
- «Das Supertalent» (13): 24,8%
- «Ninja Warrior Germany» (5): 23,6%
Durchschnittlicher Werbeanteil an der Brutto-Sendezeit bei allen Samstagabend-Shows von RTL und ProSieben mit mindestens zwei Folgen.
Bei «DSDS» agierte der Sender hingegen weit zurückhaltender bei der Platzierung von Werbeblöcken und kam an den 18 Samstagabenden nur auf einen gemittelten Werbeanteil von 21,7 Prozent. Das hängt vor allem mit den revitalisierten Liveshows am Ende der Staffel zusammen, in deren Zuge man teilweise bei weit mehr als drei Stunden Gesamt-Sendezeit gerade einmal rund eine halbe Stunde Werbung zeigte und so zwischenzeitlich auf nur noch auf einen Reklame-Anteil von 17 Prozent kam, während die quotenstarken und etablierten Castings zum Teil auf saftige 27 Prozent kamen.
Den höchsten Werbeanteil aller Primetime-Shows hat aber ProSieben vorzuweisen, das nicht etwa im Zuge seiner altgedienten Shows so richtig in die Vollen ging, sondern unbegreiflicherweise sein Publikum bei der Auftaktfolge von «Beginner gegen Gewinner» derart mit Unterbrechungen penetrierte, dass diese auch unsererseits als regelrechte Tortur empfunden worden waren - was zum Einen daran lag, dass man schon in der ersten Dreiviertelstunde zwei lange Pausen einpflegte, doch auch der Gesamt-Werbeanteil von 28,3 Prozent fiel äußerst üppig aus. Bis Mitternacht bekamen die treuen Zuschauer somit mehr als eine Stunde reines Werbeunglück zu sehen. Üppig bestückt war auch die dritte «Die beste Show der Welt»-Ausgabe mit einem Anteil von 26,5 Prozent, davon abgesehen jedoch lagen die bekannten Formate stets unter der Marke von 23 Prozent - und damit auf einem durchaus moderaten Niveau.
Gefühlter Werbegraus bei realem Werbesegen: Das Paradoxon «Schlag den...»
Shows mit den niedrigsten Werbeanteilen
- «Schlag den Henssler» (2 Folgen): 18,4%
- «Schlag den Star» (4): 19,5%
- «Wollen wir wetten?!» (2): 20,1%
Durchschnittlicher Werbeanteil an der Brutto-Sendezeit bei allen Samstagabend-Shows von RTL und ProSieben mit mindestens zwei Folgen.
Darüber hinaus aber haben die Verantwortlichen des Senders im Laufe der vergangenen Jahre zunehmend Gefallen an Werbeformen gefunden, die als besonders "hart" und publikumsunfreundlich gelten: Diverse kurze statt weniger, aber dafür sehr langer Werbestrecken sorgen für häufigen Frust und machen es dem Zuschauer schwer, wirklich in das Format reinzufinden. Zudem sind Unterbrechungen innerhalb eines Spiels inzwischen längst kein No-Go mehr für die Programmverantwortlichen, erschweren allerdings das Seherlebnis zusätzlich. So lange die Quoten stimmen, kann ProSieben gegenüber potenziellen Werbepartnern stolz darauf verweisen, hiermit dem Zuschauer das allgegenwärtige Wegzappen während der Unterbrechungen deutlich zu erschweren, doch mittlerweile stimmen eben die Quoten immer häufiger nicht mehr. Und angesichts immer aggressiverer Strategien ist auch an dem Vorwurf etwas dran, dass die Sendeanstalt das unter Fernsehfreunden legendäre Live-Feeling wie zu besten «Schlag den Raab»-Zeiten kaum mehr zulässt - kaum kommt wirklich mal Spannung auf, schon nervt Elton gezwungenermaßen wieder mit seinem Gewinnspiel inklusive Krabbelgruppen-Frage und anschließender Werbepause.
Übrigens: Während «Schlag den Star» stets einen Werbeanteil zwischen 18,9 und 20,1 Prozent vorzuweisen hatte, ist der Nachfolger mit Steffen Henssler bislang für die beiden Extrema verantwortlich: Die brutto mehr als fünfstündige Auftaktfolge kam mit nur 45 Minuten Werbung aus, sodass der damit verbundene Werbeanteil von nur 14,8 Prozent der mit Abstand geringste sämtlicher Samstags-Primetime-Shows der beiden Sender im Jahr 2017 war, die zweite Ausgabe drehte dann massiv an der Werbeschraube, ging "nur" bis 0:35 Uhr, warb dafür aber gleich 59 Minuten lang - und kommt somit auf einen Anteil von 22,6 Prozent. Für sich genommen noch immer kein wirklich hoher Wert, doch aufgrund der unsanften Darbietungsform mit dem Holzhammer ein garantiertes Ärgernis bei Publikum und sogar Moderator. Bleibt also zu hoffen, dass man bei ProSiebenSat.1 wirklich einmal den Konsumenten verstanden hat - und in ihm nicht einmal mehr den übergewichtigen Armen sieht, dem nach dem Motto "Friss oder stirb!" zu begegnen ist.
Es gibt 9 Kommentare zum Artikel
16.12.2017 12:28 Uhr 1
16.12.2017 13:38 Uhr 2
16.12.2017 13:51 Uhr 3
Es ist ja auch die Frage, wo man die Werbung platziert. Das ist in Liveshows sicher etwas schwieriger, aber es wäre trotzdem vielleicht manchmal möglich, sie intelligenter zu platzieren. Manchmal sind's einfach die Stellen, die sauer aufstoßen, bei Schlag den ... z.B. ein Spiel unterbrechen und wenige Minuten später Gelatsche von drinnen nach draußen oder umgekehrt zeigen.
Bei Aufzeichnungen ist's einfacher, wird aber auch oft nicht besser gemacht. Manchmal soll der Break wohl Spannung erzeugen, nervt den Zuschauer aber eher an dieser Stelle als wenn man den Werbeblock wenige Minuten an Stellen veschiebt, wo die Sendung an sich eh eine Atempause macht.
16.12.2017 13:56 Uhr 4
16.12.2017 17:21 Uhr 5
Ich mache das meisstens eben so, ob nun per Festplatten-Aufnahme oder per TimeShift, ich gucke mir Live - Sendung fast immer nur noch erst an, wenn diese schon mindestens eine halbe Stunde oder sigar länger laufen.
16.12.2017 17:55 Uhr 6
16.12.2017 21:13 Uhr 7
Knapp 1h vorbei. Spiel 2 ist noch nicht einmal beendet. In der Zeit hatten wir nach ca. 18min den ersten Werbeblock, mitten im Spiel 1. Nachdem die 10-12min Werbung vorbei waren, konnte Spiel 1 beendet werden und Spiel 2 wurde gestartet. Ca. 7-8min nach Ende des ersten Werblocks wurde wieder Werbung geschaltet, diesmal wieder für 10-12min. Spiel 2 ist übrigens voll im Gange. Zurück aus der Werbung wird dann erst einmal Musik gespielt.
Also Bitte, das ist mit Abstand das schlimmste was ich bisher an Werbeprogrammierung gesehen habe. Da kann hintenraus noch so wenig Werbung laufen, aber wenn man zu Beginn die Zuschauer dermaßen penetrant zudröhnt, braucht man sich nicht wundern wenn viele einfach wegzappen und nicht zurückkommen.
17.12.2017 08:48 Uhr 8
Ergänzung, man kann die Entwicklung übrigens im Netz hier auch recht gut nachvollziehen. Es gibt im Netz ja immer eher Kritik und Meckerei als Lob aber früher waren die Kommentare auf den entsprechenden Seiten, zur Sendung, beim Sender, bei Elton usw. noch relativ gemischt und es gab viele inhaltliche Kommentare seit einiger Zeit kann man beobachten, dass es sich im Grunde bei fast allen Kommentaren, egal um welche ProSieben Show es geht, nur noch um Kritik an der Werbung handelt. Das muss man eigentlich mal aufnehmen und auch erkennen. Weil das ist so kein substanzloses Gemecker sondern tatsächlich ein berechtigter Ausdruck großer Unzufriedenheit. Aber die Verantwortlichen beim Sender, scheint das nicht zu interessieren.
Das ist Absurd man beschädigt nachhaltig starke Formate, die unter etwas anderen Rahmenbedingungen sicherlich gute Werte erzielen würden und gefährdet somit sogar deren Fortsetzung. Was will man dann zeigen ? Oder bereitet man sich dort schon eigentlich langsam auf die Abwicklung des Senders vor ? Ich kann es nicht nachvollziehen. Diese Strategie bzw. diese Haltung ist einfach unverständlich und unprofessionell-
27.12.2017 00:17 Uhr 9