InterviewStefanie Reinsperger: ‚Ich habe Aylin nicht ersetzt‘

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Der WDR-«Tatort» „Love is Pain“ läuft am Sonntag im Ersten. Wir sprachen unter anderem über Theater und ihrem Aufenthalt in Longon.

Hallo Frau Reinsperger! Sie haben eine interessante Biografie. Sie wuchsen teilweise in London auf, weil ihr Vater für das österreichische Außenministerium arbeitete. Seit drei Jahren drehen Sie beim Dortmunder-«Tatort» mit. Wo fühlen Sie sich zu Hause?
Ich habe durch meinen Beruf diesen Begriff immer wieder für mich übertragen. Zu Hause kann das Theater sein, an dem ich arbeite, kann das Set sein, an welches ich jeden Tag gehe. Zu Hause sind für mich auch die Charaktere, die ich spiele und meine FreundInnen, Menschen die mir ein geborgenes Gefühl geben. Aber das ganz klassische zu Hause wird für mich immer Biedermannsdorf in Österreich sein, wo meine Eltern und meine Schwester wohnen.

Welche Orte und Plätze in London und in der Umgebung gibt es, die man – abseits der großen Touri-Attraktionen – gesehen haben sollte?
Es ist ja wirklich lange her, dass wir da gelebt haben. Da war der Tourismus noch nicht so ausgeprägt wie heute. Deshalb sind, glaub´ ich, selbst jene Orte, an denen wir uns damals ganz abgeschottet gefühlt haben, inzwischen höher frequentiert. Ich weiß, mein Lieblingsort als Kind war immer die Peter-Pan-Statue im Hyde Park, da sind wir oft mit den Fahrrädern hingeradelt und dann hab´ ich da stundenlang gespielt. Und der Portobello Road Market, da gab es, zumindest damals ganz wundervolle Straßenmalerei, bei der ich mir immer gewünscht habe, so wie Mary Poppins ins Bild zu springen und in einer anderen Welt wieder rauszukommen.

Sie haben zahlreiche Jahre an verschiedenen Theatern gespielt. Auf welches Haus blicken Sie besonders gerne zurück?
Ich habe an allen Häusern so tolle Menschen kennen gelernt, spannende Rollen gespielt und interessante Herausforderungen gehabt. Mein AnfängerInnen-Engagement war am Düsseldorfer Schauspielhaus und das war eine unvergessliche Zeit mit dem Ensemble und den legendären Kantinen-Abenden. Das Berliner Ensemble ist das Haus, an dem ich jetzt am längsten bin, deshalb würd´ ich schon sagen, dass es mich am meisten prägt.

Phaidras Liebe oder Schwarzwasser, Les Miserables oder Baal – welches Stück bewegte Sie am meisten?
Jedes Stück, jede Rolle ist eine kleine Liebesbeziehung und manchmal ganz schön herausfordernd, wenn man so wie ich sechs Stücke parallel spielt und seine Hingabe gleich aufteilen muss. Es gibt kaum Stücke, bei denen ich froh bin, dass sie abgespielt werden, weil eine Derniere immer traurig und schmerzhaft ist. Die Grusche im Kaukasischen Kreidekreis war meine erste Berliner Premiere und wir spielen das Stück jetzt schon seit sechs Jahren. Das wächst so mit mir mit und mit der Zeit, diese Arbeit bedeutet mir sehr viel.

Der Dortmunder-«Tatort» existiert seit elf Jahren. Sie haben Aylin Tezel ersetzt – wie unterscheiden sich Ihre Figuren?
Ich habe Aylin nicht ersetzt. Das geht ja gar nicht und würde ich mir auch nicht anmaßen. Und ich mag auch dieses Vergleichen und Gegenüberstellen nicht, weil das zwei ganz unterschiedliche Rollen und unterschiedliche Schauspielerinnen sind. Es ging ja auch nie darum, jemanden zu ersetzen, sondern etwas Neues, Anderes in das bestehende Team zu bringen. Für Rosa gesprochen würd´ ich sagen, sie ist die gute Seele in diesem Team und Präsidium. Sie ist sehr feinsinnig, ruhig, beobachtend und vor allem sehr empathisch, was ihr manchmal natürlich auch Schwierigkeiten macht, weil sie die Probleme der anderen oft zu ihren eigenen macht und dabei sich selbst vergisst. Sie brennt für ihre Arbeit und vor allem für Gerechtigkeit und Fairness und, je länger sie im Team dabei ist, desto selbstbewusster wird sie und desto mehr setzt sie auch ihre Vorstellungen von Ermittlungstechniken durch.

Ihre Figur hat eine prominente Mutter, eine untergetauchte RAF-Terroristin. Ist es geplant, dass es zeitnah auch zu einem Showdown kommt?
In “Love is Pain”, der am 23. April ausgestrahlt, wird trifft Rosa wieder auf ihre Mutter. Und durch diese Begegnung wird sie vor eine Entscheidung gestellt, die Rosa und die Beziehung zu ihrer Mutter sehr verändern wird.

Sie sind jetzt seit sechs Episoden beim «Tatort». Haben Sie vor noch länger zu bleiben?
Definitiv. Ich freue mich immer, wenn wir zusammenkommen und drehen und ich finde auch, bei Rosas Figur ist noch viel Potential, welches wir erzählen können. Solange die Bücher spannende Herausforderungen bieten und ich mich in den Arbeiten und Begegnungen mit RegisseurInnen gemeint und gefordert fühle, möchte ich gerne weiterhin nach Dortmund kommen.

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung hat Sie als größte Kraftschauspielerin an den deutschen Bühnen bezeichnet. Waren Sie über ein solches Lob glücklich?
Ich freue mich, wenn ich Menschen mit meiner Arbeit herausfordern, überfordern und vor allem bewegen kann. Wenn das, was ich auf der Bühne und oder vor der Kamera spiele, bei ZuschauerInnen etwas auslöst, dann macht mich das sehr, sehr glücklich.

Ihr Buch „Ganz schön wütend“ dreht sich über dieses bestimmte Lebensgefühl. Warum sind Sie gerne wütend?
Ich habe gemerkt, dass ich zulassen darf, wütend zu sein. Dass Wut, im Unterschied zu Hass – etwas Befreiendes und Konstruktives sein kann. Dass es nichts bringt alles runterzuschlucken und sich gefallen zu lassen, dass es wichtig ist, Haltung zu beziehen, sich zu positionieren und eben auch mal Wut zu zeigen, wenn Ungerechtigkeiten passieren und ich das Gefühl habe, etwas verändern zu müssen.

Sie bekommen Hasskommentare aufgrund Ihres Gewichtes. Warum triggert Ihr Aussehen andere Menschen? Sollten wir nicht unsere Zeit klüger investieren, statt Beleidigungen zu verfassen?
Natürlich! Ich glaube aber, vielen Menschen war davor gar nicht bewusst, wieviel Hass im Netz kursiert, was alles Menschen triggert und wie sehr sich einige berufen fühlen, ihre Beleidigungen anderen einfach so an den Kopf zu werfen.

Ich habe mich zu lange in meinem Leben damit beschäftigt, was andere Menschen dazu bewegt, mir so weh zu tun. Das ist Energie die ich nicht mehr aufwenden möchte. Ich möchte arbeiten, spielen, lernen. Und ich möchte die Chance nutzen, dass mir einige zuhören auf diese Probleme aufmerksam zu machen und das Bewusstsein zu stärken, dass diese Übergriffe an mehrgewichtigen Menschen immer wieder passieren und dass das aufhören muss!

Vielen Dank für das Gespräch!