Serientäter«Parasyte: The Grey»: Eine perfekte Body-Snatcher-Serie

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Anfang April 2024 veröffentlichte Netflix eine sechsteilige Miniserie von Yeon Sang-ho und Ryu Yong-jae. Die Serie ist trotz ihres südkoreanischen Ursprungs sehr amerikanisch und kann von vorne bis hinten überzeugen.

Es gibt nur wenige Horror-Science-Fiction-Serien, die wirklich überzeugen können. Die der Autoren Yeon Sang-ho und Ryu Young-jae kann sich auf jeden Fall sehen lassen. Gerade Yeon hat mit dem Spielfilm «Train to Busan» und der Netflix-Serie «Hellbound» zwei interessante Werke erschaffen. Der 45-jährige Autor hat den südkoreanischen Anime „Parasyte“ von Hitoshi Iwaak adaptiert.

Unschwer zu erkennen, handelt es sich bei dieser Live-Action-Serie um Parasiten, die die Menschen befallen. Bereits die ersten Szenen, sie spielen auf einem Musikfestival – vermutlich im südkoreanischen Seoul – kommen diese Larven in kleinen Kügelchen auf die Erde, schlüpfen und suchen sich einen menschlichen Wirt, dessen Verstand sie fressen und dann relativ schnell den Körper übernehmen. Die Köpfe können in mehrere Tentakel geöffnet werden, die Wesen besitzen sofort das Wissen über Klingen und töten gerne Menschen. Diesen Fakt kann man durchaus bemängeln, denn diese Wesen lernen schnell. Auf der anderen Seite ist das Fiction und die Body-Snatcher-Serie kommt auf den Punkt und versucht nicht zu langweilen. Bereits in einer der ersten Minuten kommt es zum Kampf zwischen jungen Menschen auf einem Musikfestival und eben diesen außerirdischen Terroristen. Es kommen immer wieder Vergleiche zwischen den Hamas und dem Angriff auf Israel am 7. Oktober auf, aber die Idee dieses Anime gibt es schon seit über zehn Jahren.

Szenenwechsel. Die Zuschauer lernen Jeong Su-in kennen, eine Kassiererin in einem Supermarkt, die von einem Kunden zunächst belästigt wird. Die Waage im Supermarkt funktioniert nicht, er möchte allerdings Fleisch kaufen und geht ohne Preis-Etikett zur Supermarktkasse. Vermutlich würden die Kassierer und Kasslerinnen in einem deutschen Supermarkt anders reagieren. Die junge Kassiererin pflaumt den Kunden an, der geht aus dem Laden, lauert ihr auf und verfolgt sie. Er holt sie mit seinem Auto von ihrem Auto herunter und möchte sie nun töten. Doch dann übernimmt ein Parasit den stark verletzten Körper von Jeon Su-in, dieser muss die zahlreichen Wunden versorgen und den Angreifer abwehren, gleichzeitig kann er nicht den Körper übernehmen. Das hört sich schon mal glaubwürdig an, weshalb dieser Parasit, der demnächst als Heidi bezeichnet wird, sich von anderen unterscheidet.

Der Ermittler Chul-min wird mit dem Fall von Chu-In betraut. Bereits nach wenigen Minuten wird klar, dass die Beiden sich von früher kennen. Die Autoren lassen die Zuschauer nicht wirklich lange im Dunkeln tappen, schließlich ist «Parasyte: The Grey» eine kurzweilige, sechsteilige Serie. Hier wird nicht lange gefackelt, sondern stringent eine Geschichte erzählt. Das führt auch dazu, dass die Macher konsequent typische Cliffhanger-Szenen kreieren, sodass der Netflix-Abonnent natürlich weiterschauen möchte. Hier kopieren die Südkoreaner einst so starke Serien wie «Alias» oder «Lost», die vor 20 Jahren Maßstäbe in Sachen Erzählstruktur setzten.

Immer wieder wird Sui-In anderen Parasiten, die einen Körper übernommen haben, in die Enge gedrängt. Zunächst kann sie diesen Parasiten klarmachen, dass sie auf deren Seite ist. Doch mit zunehmender Geschwindigkeit wird auch den Gegenspielern klar, dass hier etwas nicht stimmt. Schließlich ist das eine knackig-stimmig erzählte Miniserie, die andere Produzenten mit Sicherheit auf zwölf Folgen aufblähen könnten. Die südkoreanischen Macher haben sich allerdings auf eine kompakte Erzählweise eingelassen.

Zu Beginn einer neuen Geschichte steht immer wieder ein anderer Akteur im Mittelpunkt. Die zweite Folge startet mit Seol Kang-woo, der ein Kleinkrimineller ist. Er wird schon in Folge eins von Heidi beeinflusst, er soll sich mit Jeong Su-In anfreunden. Seol wird zu Beginn der Episode verfolgt und diese Szene ist ein Meistwerk in Drehtechnik. Immer wieder rennen die Schauspieler entweder zu Fuß, auf einem Roller oder mit einem Auto durch die Straßen, die Kamera wechselt die Richtungen, es wird zwischen Drohnen und Handkameras gewechselt – ohne dass dieser Effekt tatsächlich sichtbar ist. Die Verfolgungsszene wirkt wie ein perfekt organisiertes Theaterstück. Man könnte das mit Serien wie «Emergency Room» vergleichen, die ebenfalls eine gute Organisation in ihrem Set hatten.



Ab der Hälfte der zweiten Folge ist die Polizei-Organisation „The Grey“ wichtig, in der auch Choi Jun-kyung arbeitet. Ihr Mann wurde, so wird es zu Beginn der dritten Folge erzählt, von einem Parasiten auf einem Parkplatz übernommen. Sie leitet die Organisation sehr brutal, indem sie den Körper ihres Mannes gefangen nimmt und ihn zur Kooperation zwingt. Schließlich wollen die Parasiten ebenfalls übernehmen und so gibt es einen Deal zwischen ihr und ihrem Mann respektive, was von dem übrig geblieben ist.

Die Parasiten organisieren sich in einer Kirche und werden vom Pastor Kwon Hyuk-joo angeführt. Zum Ende der fünften Folge fällt allerdings alles in sich zusammen, es gibt Verräter und Doppelagenten. Figuren erleiden den plötzlichen Serientod und die Zuschauer wissen nicht weiter. In der finalen Szene wird jedoch der Grundstein für das Finale gelegt, das – wie einst bei Serien wie «Lost» – den guten alten „What the Fuck?“-Moment auslöst. «Parasyste: The Grey» ist Must-See-TV aus Südkorea. Viel Spaß! Kleiner Hinweis zuletzt: Schauen Sie die letzten Minuten noch einmal in der Originalsprache und nicht in einer Synchronisation!

«Parasyte: The Grey» ist bei Netflix zu sehen.