HintergrundDas Jüngste Quoten-Gericht: Werden die Reichweiten bei der EM wieder steigen?

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Vier Tage vor dem Start der Heim-EM erstellt Quotenmeter anhand der Testspiele ein Stimmungsbild für die deutsche Nationalmannschaft. Das Interesse ist so groß wie lange nicht. Steigen daher auch die Reichweiten während des Turniers?

Sprechen Fußball-Funktionäre über ihren Sport, ist meist von einem Ergebnissport die Rede. Lauscht man dieser Tage den Verantwortlichen beim DFB, Spielern wie Trainer und Vorständen, kommt es bei dem anstehenden Turnier vor allem auf die Stimmung an. Von „Euphorie“ wird gesprochen, eine „Aufbruchstimmung“ müsse erzeugt werden, ja sogar ein „Sommermärchen“, wie es 2006 gab, wolle man wiederholen. Bundestrainer Julian Nagelsmann kündigte an, in seiner Bewertung des Turniers vor allem solche weichen Faktoren einzubeziehen. Wie groß war die Begeisterung, die die Spielweise der deutschen Mannschaft ausgelöst hat. Nach dem torlosen Unentschieden gegen die Ukraine und dem knappen Last-Minute-Sieg gegen Griechenland ist die Stimmung gegenüber der März-Euphorie, die durch die Siege gegen Frankreich und die Niederland ausgelöst wurde, nicht zwangsläufig wesentlich positiver geworden.

Fakt ist aber, die Vorfreude auf das Heim-Turnier ist wesentlich größer als beim letzten Großturnier. Die Weltmeisterschaft in Katar war von vielen Nebengeräuschen abseits des Platzes begleitet, aufgrund der Ansetzung in einem vermeintlich fußballkulturell dürren Land und der Verschiebung in den Winter gab es zahlreiche Boykott-Aufrufe. Entsprechend mager war auch die Ausbeute beim letzten Test vor dem Turnier, den Deutschland mühsam mit 1:0 gegen den Oman gewann. Das Spiel übertrug am 16. November 2022 RTL ab 18:00 Uhr. Die beiden Halbzeiten verfolgten für Nationalspiel-Verhältnisse recht wenige 3,68 und 4,82 Millionen Zuschauer ab drei Jahren. Damit unterbot man recht deutlich die Generalprobe vor der Euro 2020, die aufgrund der Corona-Pandemie um ein Jahr verschoben wurde.

Am 7. Juni übertrug ebenfalls RTL die Partie der Deutschen gegen Lettland. Im Vorfeld des letzten Turniers der Ära Joachim Löw gewann man mit 7:1, was 6,07 (1. Halbzeit) und 6,86 (2. HZ) Millionen Zuschauer nicht verpassen wollten. Schon damals war aber der Hype um die Nationalmannschaft nach dem blamablen Vorrunden-Aus bei der Weltmeisterschaft 2018 in Russland abgeflacht. Verglichen mit dem letzten Testspiel vor der WM 2018, das Deutschland am 8. Juni 2018 mit 2:1 gegen Saudi-Arabien gewann, waren die Werte signifikant niedriger. Das Spiel wurde vor sechs Jahren bereits um 19:30 Uhr angestoßen, dennoch belief sich die durchschnittliche Sehbeteiligung auf 8,22 Millionen ARD-Zuschauer.

Freilich hatte sich in der Zeit zwischen diesen beiden Spielen auch einiges in der Mediennutzung getan. Neben dem klassischen linearen Fernsehen hat sich das Schauen in Livestreams in verschiedenen Mediatheken und TV-Diensten etabliert. Die Vorbereitungsspiele auf die Turniere 2016 und 2014 zeigen, dass damals das Interesse recht konstant war. 2016, als Deutschland als amtierender Weltmeister in die EM in Frankreich ging und den letzten Test gegen Ungarn mit 2:0 gewann, schalteten 8,16 Millionen Menschen die ZDF-Übertragung ab 18:00 Uhr ein. Im Vorfeld der WM 2014 in Brasilien, testete die DFB-Elf gegen Armenien (6:1). Wieder war das ZDF der übertragende Sender, diesmal ertönte der Anpfiff um 20:45 Uhr, was die Reichweite auf 9,95 Millionen Zuschauer in die Höhe trieb. Das klassische Fernsehen war zu dieser Zeit freilich noch deutlich gefragter. Der Streamingdienst Netflix sollte erst im September jenes Jahres in Deutschland aufschlagen.

In diesem Jahr erreichten die Testspiele vor dem Turnier 9,07 (gegen die Ukraine) sowie 7,12 und 8,84 Millionen Zuschauer, womit sich das Interesse auf dem Niveau von 2016 und 2018 bewegte. Die Euphorie im Vorfeld auf die EM scheint hoch. Zudem könnten die Zahlen im Vorfeld auf deutlich höhere Reichweiten während des Turniers hindeuten. Zuletzt enttäuschten die Zahlen während der umstrittenen Katar-WM, sodass manche Spiele das direkte Duell gegen Konkurrenzprogramme verloren. Selbst die deutschen Spiele sahen in der Spitze „nur“ 17,44 Millionen Zuschauer, diese Marke könnte bereits zum Auftakt am kommenden Freitag gegen Schottland übertroffen werden. Es liegt nun in den Händen beziehungsweise in den Füßen der deutschen Nationalmannschaft, die gute Grundstimmung in echte Euphorie zu verwandeln. Das Interesse der Deutschen am Turnier das vor den eigenen Haustüren stattfindet, ist geweckt.