Interview‚Viele Beweismittel in dem Mordfall waren von Anfang an umstritten‘

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Khesrau Behroz und Co-Autorin Alexandra Berlin haben die Mordanklage gegen Amanda Knox in «Judging Amanda Knox» aufgearbeitet.

Herr Behroz, am 4. Juli starten Sie mit Ihrer Firma Undone den neuen Podcast «Judging Amanda Knox», gemeinsam mit dem SPIEGEL. Was ist am Leben der Amanda Knox so interessant?
Khesrau Behroz:
Um es flapsig zu sagen: Amanda Knox hat so einiges durchgemacht. Sie ist des Mordes beschuldigt worden – und hat vier Jahre unschuldig im Gefängnis verbracht, bevor sie nach sehr viel hin und her 2015 endgültig freigesprochen worden ist. Sie ist in dieser Zeit nicht nur vom Gesetz, sondern auch von der Öffentlichkeit mehrfach verurteilt worden. An dieses Urteil – „der Engel mit den Eisaugen“ – erinnern sich viele noch – an das finale juristische eher weniger. Unter anderem deswegen haben wir diesen Podcast gemacht, um eben diese Dynamik zu untersuchen.

Frau Berlin, Knox saß vier Jahre unschuldig im Gefängnis, wie konnte es soweit kommen?
Alexandra Berlin:
Knox hat in einem Verhör ihren damaligen Chef beschuldigt und sich selbst belastet, was eine Kette von Ereignissen auslöste. Die Polizei verkündete, die Täter gefasst zu haben – und konnte nach der Ergreifung des wahren Täters möglicherweise nicht einfach zurück. Dazu kamen offenbar Ermittlungsfehler. Die Polizei und die Staatsanwaltschaft bestreiten allerdings Fehlerverhalten. Viele Ermittelnde halten Knox trotz ihres Freispruchs für schuldig.

Herr Behroz, bereits im Jahr 2007 gab es zahlreiche forensische Gutachten. Warum haben die Ermittler in diesem Fall so viele Fehler begangen?
Khesrau Behroz:
Da gibt es sicherlich viele Gründe. Ich würde gerne auf zwei eingehen: Der zuständige Staatsanwalt, Giuliano Mignini, den wir in Italien auch gesprochen haben, hat sich früh auf Amanda Knox als Täterin festgelegt. Und: Die Ermittler:innen haben offenbar einen enormem Druck verspürt, den Fall schnell möglichst zu lösen – dabei sind, wie das unabhängige Gutachten 2011 auch bestätigt hat, viele Prozessfehler gemacht worden.

Frau Berlin, Nach dem italienischen Gefängnis wurde sie 2014 erneut schuldig gesprochen – für 28 Jahre. Haben Sie herausfinden können, warum die Justiz Knox mehrfach als Täterin beschuldigte?
Alexandra Berlin:
Viele Beweismittel in dem Mordfall waren von Anfang an umstritten, so wie zum Beispiel ein Messer, das die Tatwaffe gewesen sein soll. Ein unabhängiges Gutachten sah diese Beweismittel 2011 als nicht verwertbar an, da sie durch Verunreinigung entstanden sein konnten. Der Richter, der Knox 2014 für schuldig befand, berücksichtigte die Beweismittel dennoch. Das Gericht war auch der Ansicht, dass mehr als eine Person Kercher getötet haben musste.

Herr Behroz, Frau Knox erhielt vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte für ihre Haftzeit 18.000 Euro vom italienischen Staat. Ist das nicht ein bisschen wenig für vier Jahre Freiheitsentzug?
Khesrau Behroz:
Ich glaube, die Summe müsste um ein Vielfaches höher sein, um nicht „zu wenig“ zu sein. Gleichzeitig ist es schwer, vier Jahren Freiheitsentzug eine faire Summe zu geben. Ich glaube, letzten Endes ist keine Zahl wirklich hoch genug, um auszugleichen, was Amanda Knox widerfahren ist. Denn die Krux der Gerechtigkeit hier ist: Amanda Knox wird für immer diese Amanda Knox sein, die die Welt nun kennt. Der Fall hat ihre Lebensplanung komplett aus dem Fenster geworfen; ich vermute, Amanda Knox hätte lieber dieses „andere Leben“ gelebt, diesen Umstand wird kein Geld der Welt umkehren können.

Herr Behroz, Ihre Produktionsfirma Undone hat nun mit DER SPIEGEL zusammengearbeitet. Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit?
Khesrau Behroz:
Wir suchen immer nach den besten Partner:innen für unsere Ideen. Nachdem Seven.One früh eingestiegen ist als Vermarkter, war uns schnell klar, dass wir mit dem SPIEGEL sprechen sollten. Wir wussten, dass DER SPIEGEL schon seit Jahren zum Fall Amanda Knox arbeitet. Deswegen haben wir angeklopft, gesprochen, verhandelt – und jetzt unseren ersten gemeinsamen Podcast. Ich finde, das ist das Tolle an der Podcast-Branche: Sie ist sehr offen für alle möglichen Konstellationen. In diesem Fall haben mit «Judging Amanda Knox» die richtigen Leute ihre Kräfte gebündelt. Da bin ich sehr stolz drauf.

In den vergangenen Jahren machte sich Undone einen besonderen Namen, weil man zum Teil auch Boulevardthemen wie den Drachenlord seriös aufarbeitete. Ist diese Vorgehensweise euer Ziel? Was zeichnet Undone aus?
Khesrau Behroz:
Unser Ziel ist es, gute Geschichten zu erzählen – mit journalistischem Rückgrat. Wir sind davon überzeugt, dass wir Geschichten mit langem Atem erzählen müssen, um den Kontext zu verstehen, in denen sie passieren. Uns geht es also nicht um das „Event“ selbst, was für Boulevardmedien eben so interessant ist, sondern vielmehr um die Gesellschaft drumherum.

Undone hat zum Jahreswechsel auch einen Podcast zum Thema Daniela Klette produziert. Habt ihr den Behörden zur Ergreifung der RAF-Terroristin geholfen?
Khesrau Behroz:
Als Journalist:innen ist es nicht unsere Aufgabe, den Behörden zu helfen. Die Antwort ist also: nein. Gleichwohl wussten die Behörden, dass wir an dem Fall arbeiten. Ob das ein Anlass gewesen ist, sich im selben Umfeld umzuhören – das wissen wir nicht.

Ken Jebsen, Drachenlord, Mesut Özil, Red Bull… Was war bislang euer bester Podcast und welcher brachte euch den größten Erfolg ein?
Khesrau Behroz:
Wir haben kein liebstes Kind. Aber natürlich ist der Ken-Jebsen-Podcast der Anfang gewesen – er hat also bei mir persönlich einen besonderen Platz. Die meisten Zuschriften, Briefe, Nachrichten habe ich jedoch auf den Mesut-Özil-Podcast bekommen – die Arbeit daran hat mir sehr viel bedeutet.

Am 25. Juni 2024 startete in der ARD Audiothek auch die neue Reihe «Weird Animals». Worauf können wir uns freuen und wie könnt ihr das Aussehen der Tiere via Audio vermitteln?
Khesrau Behroz:
Unsere beiden Hosts Tereza Hossa und Robinga Schnögelrögel schaffen es, humorvoll und lakonisch zu vermitteln, wie seltsam die Welt der Tiere ist. Wer den beiden beim Quatschen zuhört, der wird auch ein ganz klares Bild von den «Weird Animals» haben. Tereza als Tierärztin kennt viele von denen ja quasi auch persönlich …

Vielen Dank für Eure Zeit!