Vereinzelt beweist «Genial daneben» immer noch Anziehungskraft. Auf Dauer scheint der Panel-Klassiker die Leute aber zu ermüden – Zeit, die richtigen Schlüsse daraus zu ziehen, sagt Mario Thunert.
Als «Genial daneben» 2023 mit den ersten sechs Comeback-Ausgaben über sechs Prozent in der Zielgruppe holte, schien es sich gelohnt zu haben, dass RTLZWEI-Chef Andreas Bartl das Trio um Hugo Egon Balder, Hella von Sinnen und Wigald Boning zurückbrachte. Dieses Jahr verdoppelte er folglich die Anzahl der Episoden auf zwölf, was vor geschildertem Hintergrund zwar plausibel erscheinen mochte, in der Realität jedoch eine böse Überraschung mit sich brachte: Auf nur noch 3,7 Prozent krachte der Staffelschnitt – nahezu eine Halbierung der Vorjahresergebnisse.
In der Betrachtung dieser Entwicklung lässt sich eine interessante Analogie zur Sat.1-Zeit ausmachen, in der die Panelshow zu Beginn ihres Revivals (2017, 2018) auf große Wiedersehensfreude stieß, auf Strecke dann aber immer stärker nachließ. Jener Verlauf scheint sich in der aktuellen RTLZWEI-Ära in beschleunigter Weise zu wiederholen. Deutet man die Kurve der Publikumsresonanz, kann man zu der Schlussfolgerung gelangen, dass die Balder-Erfindung an einzelnen Ausstrahlungstagen zwar durchaus noch gehörige Strahlkraft aufweist, von den Zuschauenden aber nicht über ewige Wochen immer wieder und wieder durchlaufen werden will.
Daraus die richtigen Konsequenzen zu ziehen, bedeutet, die Ermüdung der wöchentlichen Fließband-Routine, welche im Streamingzeitalter noch stärker ins Gewicht fällt, anzuerkennen und die grundsätzliche Stärke der Format-Prämisse als zukunftsträchtiges Live-Event umzufunktionieren, das ereignisorientierten Sehgewohnheiten gerecht wird. Diese Forderung folgt aus einer generellen Annahme, das Rezipierende sich im Vergleich zu früher weniger von voraufgezeichneten Shows ansprechen lassen, denen man anmerkt, das sie ellenlang an Kette produziert wurden, sondern vielmehr an vereinzelten Terminen für (Live-)Highlights bewusst das lineare Fernsehen einschalten. Es kommt also darauf an, mehr Termine mit
unterschiedlichen Programm-Marken zu bestücken, die jeweils ein bis zwei Mal im Jahr als Leuchttürme zirkulieren.
«Genial daneben» kann als stark verankerte Bench dazu beitragen, einen solchen Zirkulationsreigen prägender TV-Brands (siehe auch «Masked Singer») auf den Weg zu bringen. Dafür muss die «Genial daneben»-Prämisse insofern eventisiert werden, als dass sie zur zweistündigen Samstag-/Freitagabend-Live-Show in einem größeren Studio oder Halle (bspw. Studio 30/31 Coloneum) hochgepusht wird, wodurch eine fulminantere Inszenierung und Optik möglich ist. Darüber hinaus wäre es angesagt, den Rate-Modus in ein neues Dramaturgie-Korsett zu setzen, um es durch eine Veränderung als etwas Besonderes zu markieren. Weitergehend sollte dies dazu beitragen, die Fallhöhe der Sendung durch eine massiv gesteigerte Gewinnsumme auszubauen sowie das Spielprinzip durch stärkere Challenge-Facetten mehr zu einer ganzheitlichen und abwechslungsreicheren Gameshow zu machen.
Was könnte man sich unter einer solchen Neujustierung des Ablaufs nun vorstellen? Zunächst einmal wäre anzuraten, die Gewinnsumme auf eine Millionen Euro zu steigern, um wie bei «Schlag den Raab» einen bedeutsamen Aufschlag für die Gewinnenden zu garantieren, der auch die Zuschauenden intensiver mitfiebern lässt. Damit ein Kampf um diesen Gewinn konstituiert wird, der sich über den gesamten Abend hinweg steigert, kann man auf einen Ansatz von «Genial daneben – das Quiz» zurückkommen, der vorsieht, dass Kandidaten & Kandidatinnen mit ihren Fragen im Studio auftreten. Die Teilnehmenden zogen dabei nur ins Finale ein, wenn das Panel im Multiple-Choice-Modus die falsche Antwort gegeben hat.
Jene Ausgangslage kann nun dahingehend zugespitzt werden, dass Teilnehmende/Teilnehmergruppen mit ihren Fragen live gegen das Panel antreten, welches die Antwort im freien Assoziationsmodus nicht enträtseln darf. Insgesamt ginge es dann für die Kandidaten/Kandidatinnen darum, so viele Fragen wie möglich hintereinander zu stellen, ohne dass sie vom Rate-Team aufgelöst werden. Sobald eine Frage entschlüsselt wurde, darf der Teilnehmende keine weitere mehr ans Panel richten und ist erst einmal raus – wer es letztendlich geschafft hat, die meisten Fragen durchzukriegen, tritt dann im Finale gegen den Zweitbesten um eine Millionen Euro an (an «Quizchampion» & «Schlag den Besten» orientiertes Prinzip).
Noch weiter steigern ließe sich die Spannung, indem die Bedingungen der einzelnen Rate-Runden erst erspielt werden müssten und damit Teil einer ergänzenden Competition würden. So wäre es zum einen denkbar, einen größeren Pool an Promis aufzustellen, aus dem die Teilnehmenden dann je nach Themengebiet ihrer (selbst mitgebrachten) Fragen strategisch auszuwählen hätten – jede Runde immer wieder neu. Des Weiteren könnten den Teilnehmenden vor den Fragerunden kleinere Herausforderungen gestellt werden (vgl. «Die perfekte Minute»). Durch sie lässt sich die Zeit herunterspielen, die das Panel zur Beantwortung zur Verfügung hat – je besser sie abschneiden, desto weniger Zeit hat das Panel. Alternativ ließen sich durch die Spielrunden Hinweise reduzieren, die das Rate-Team erhält. Andersherum würde die Devise lauten: Je schlechter Teilnehmende in Zeitspielen abschneiden, desto mehr Hinweise/Zeit wird dem Panel gegeben.
Ins große Finale ziehen die zwei Teilnehmer(-Gruppen) ein, die die meisten nicht entschlüsselten Fragen durchgekriegt haben. Hier könnten sie dann aus verschiedenen Wissensgebieten und Fragen wählen, die Hugo zur Auswahl stellt. Wer die Final-Frage aufruft, die die Rätsel-Promis nicht/langsamer beantworten, gewinnt die eine Millionen Euro. In einer alternativen Variante würden die Teilnehmer(-Gruppen) direkt ins Duell mit dem Rate-Panel treten. Beide bekämen dann abwechselnd relativ kurze Zeitintervalle, um die von Hugo ausgewählte Frage diskursiv zu enträtseln. Es werden zwei schalldichte Kabinen aufgestellt, damit sie sich dabei nicht hören. Die Finalisten, die es schaffen, Hella, Wigald, Bernhard und Co. zu schlagen, indem sie zuerst die korrekte Auflösung liefern, nehmen die Million mit nach Hause.
Konzept-Optionen, die ebenfalls denkbar sind: Konträr zur Gegnerschaft zum Panel kann umgekehrt das Rate-Team auch
für die Teilnehmenden spielen. Dann ginge es für jene darum, jeweils Fragen auszuwählen, die von den Promis entwirrt werden können – die Teilnehmergruppen mit den meisten aufgelösten Fragen kommen dann ins Finale. Da der Comedy-Klassiker durchaus für seinen pointierten Schnitt bekannt ist, der das tatsächliche Geschehen verdichtet, wären einige der vorgestellten Konzeptideen zur Not auch als groß aufgezogene Show-Aufzeichnung möglich, die es phasenweise aber schaffen müsste, ein Live-On-Tape-Feeling wie «Wer stiehlt mir die Show» zu kreieren.