InterviewSamuel Rösch: ‚In »Rückwärtsgang« verarbeite ich die Diagnose von Diabetes Typ-1‘
von Fabian Riedner08. November 2024
Der gebürtige Großrückerswalder gewann 2018 die achte Staffel von «The Voice of Germany». Nun möchte Rösch auch auf das Thema Diabetes aufmerksam machen und verbindet es mit seiner Musik.
Samuel, wie beeinflusst Ihre Diagnose von Typ-1-Diabetes Ihr tägliches Leben und insbesondere Ihre Musikkarriere?
Der Typ 1-Diabetes ist für mich ein stetiger Begleiter und ich muss ständig meinen Blutzuckerwert kontrollieren. Ich esse seitdem viel kontrollierter und regelmäßiger als vor der Krankheit. Das ist auf eine Art auch von Vorteil. Ich muss natürlich immer daran denken, allein weil ich mich spritzen muss, wenn ich etwas esse. Aber es ist nicht so, dass mich das sehr belastet. Es gibt hin und wieder Situationen, wenn ich zum Beispiel nachts um zwei die Pumpe wechseln muss oder das Insulin alle ist, da bin ich wirklich genervt. Aber das passiert vielleicht zwei- oder dreimal im Jahr. Aber in der Regel läuft es ganz gut, und das liegt vielleicht auch daran, dass ich gut strukturiert bin und die Abläufe in meinen familiären, als auch beruflichen Alltag eingebaut habe. Gerade die Planung von Studiosessions, Bandproben und Konzerten ist hier immens wichtig. Das hat auch bei den letzten 500 Konzerten ohne einen einzigen Vorfall gut geklappt. Mein Alltag als Musiker ist unstetig und das ist die große Herausforderung beim Diabetes, der eigentlich einen geregelten Tagesablauf benötigt. Momentan komme ich aber ziemlich gut damit zurecht, auch aufgrund der vielen technischen Helfer, die es heute gibt.
Was hat Sie motiviert, sich als Botschafter für die Deutsche Diabeteshilfe einzusetzen?
In Deutschland gibt es über 10 Millionen Diabetiker, darunter mehr als 400.000 Menschen mit Typ-1-Diabetes. Diese Zahlen zeigen, dass Diabetes mitten in unserer Gesellschaft angekommen ist. Dennoch sprechen viele nicht offen darüber, was dazu führt, dass Diabetes oft als Ausnahmeerscheinung wahrgenommen wird.
Als ich 2023 zur Diabetes Charity Gala der Deutschen Diabeteshilfe in Berlin eingeladen war, habe ich erlebt, dass Diabetes auf der Bühne oft noch ein Tabuthema ist. Ich selbst bin die letzten Jahre sehr zurückhaltend damit umgegangen. Auf dieser Gala habe ich gemerkt, wie wichtig Information und Aufklärung für Diabetiker und für unsere Gesellschaft sind, denn ein Diabetes, den man offen und ehrlich kommuniziert, kann am Ende auch besser behandelt werden, wie ein Diabetes, den man vor anderen und eventuell auch sich selbst ein wenig versteckt.
Wie haben sich Ihre Sichtweisen auf Diabetes und seine Aufklärung verändert, seit Sie damit an die Öffentlichkeit gegangen sind?
Ich selbst hatte in meiner Zeit bei «The Voice» zuerst gedacht, ich müsse dieses Thema ausklammern, aus Sorge, dass ich damit weniger Chancen hätte, zu gewinnen. Erst eine “Zufallsbegegnung” mit einem Kameramann mit Diabetes schenkte mir den Mut, darüber zu sprechen. Als Musiker und Songwriter erlebe ich im Kleinsten, wie wichtig es ist, dass das Bewusstsein für Diabetes wächst, damit wir Betroffenen selbstverständlicher damit umgehen können.
Ich kommuniziere mittlerweile offener über dieses Thema und zeige auch die Hilfsmittel, wie eine Pumpe oder Sensoren, auf die ich angewiesen bin. Mir ist es ein Anliegen geworden zu informieren und bei über 11 Millionen Diabetikern in Deutschland darauf aufmerksam zu machen, dass Diabetes in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist und keine Ausnahmeerscheinung mehr darstellt.
Was bedeutet es für Sie, auf einer Veranstaltung wie „Meilensteine der modernen Diabetologie“ am Weltdiabetestag aufzutreten?
Es ist eine Ehre für mich, bei dieser Veranstaltung aufzutreten. Ein Fachkongress, der Menschen und Ideen würdigt, die Millionen von Diabetikern mehr Qualität im Alltag schenken, bei der genau solche Aufklärung vorangebracht wird. In diesem Jahr trete ich dort mit zwei neuen Songs “Mein Warum” und “Ich glaub an Dich” auf.
Welche Rolle spielt Musik für Sie im Umgang mit Diabetes? Gibt sie Ihnen Kraft oder eine Möglichkeit, Ihre Erfahrungen zu verarbeiten?
Die Musik ist für mich ein Raum für meine Geschichten und Emotionen. Dort kann ich alle Schicksalsschläge, Höhepunkte oder einfach tolle Geschichten verarbeiten, so auch meine mit der Diabetes.
Sie haben «The Voice of Germany» gewonnen: Wie hat sich Ihr Leben seitdem verändert, und welche Herausforderungen bringt das mit sich?
Der Sieg der Castingshow hat bei mir alles umgekrempelt: über die Nacht vom Studenten und Hobbymusiker zum Vollzeitmusiker. Ich bin sehr dankbar über diesen Weg, auch wenn keine Woche der anderen gleicht. Ich bin eher ein strukturierter und sicherheitsbedürftiger Mensch. Mein Leben als Musiker fordert das regelmäßig aufs Äußerste heraus (lacht).
Gibt es bestimmte Botschaften oder Themen, die Sie in Ihrer Musik vermitteln möchten, insbesondere im Zusammenhang mit Diabetes?
Mit meinem Song “Rückwärtsgang” verarbeite ich zum Beispiel die mir vor knapp sieben Jahre gestellte Diagnose von Diabetes Typ-1. Ich möchte mit meinem Song die Hörer ermutigen. Ihnen Mut zusprechen, dass ein Leben mit den richtigen Maßnahmen auch mit Typ-1 absolut lebenswert ist. In meinen Konzerten, als auch immer mehr auf Social Media, rede ich offen über dieses wichtige Thema, um damit auch dazu beizutragen, dass es kein Tabuthema mehr ist und meinen Fans Mut und Hoffnung zu schenken, die ebenfalls an (chronischen) Krankheiten leiden.
Jeder erlebt Schicksalsschläge, die Frage ist, wie wir damit umgehen. Was mir immer geholfen hat, war eine Perspektive oder ein Ziel, auf das ich hinlebe. Oder anders gesagt: Wir brauchen ein „inneres, eigenes Warum“, einen Grund für den wir Leben. Wenn das klar ist, fällt es leichter mit Schicksalsschlägen umzugehen. Dies behandle ich in meinem aktuellen, neuen Song “Mein Warum”.
Haben Sie Tipps für junge Menschen mit Diabetes, die vielleicht auch Musiker oder Künstler werden wollen?
Du bist „Gut Genug“ (auch ein Song von mir). Teile deine Geschichte, auch die mit Diabetes, ehrlich. Diabetes ist eine Herausforderung in diesem Beruf, aber es ist mit ein bisschen mehr Aufmerksamkeit auf den eigenen Körper möglich, damit unterwegs zu sein und Konzerte zu spielen!
Wie verbinden Sie Ihre musikalischen Projekte mit Ihrer Arbeit zur Diabetes-Aufklärung?
Ich erzähle bei Konzerten immer öfter von meiner Diagnose und meinem Umgang mit dieser Krankheit. Dieses Jahr war ich bspw. mit Kinderklinikkonzerte e.V. in einem Krankenhaus in Paderborn und habe unter anderem auch auf der Kinderdiabetesstation gesungen. Die leuchtenden Augen der Kinder und ihrer Eltern haben mein Herz schneller schlagen lassen. Ich durfte erleben, wie meine Lieder ihnen Hoffnung geschenkt haben und ich sie - auch wenn nur für eine kurze Zeit - von der sie alltäglich umgebenden Krankenhaus-Situation ablenken durfte. Da blieben auch meine Augen nicht trocken.
Was können wir in Zukunft musikalisch von Ihnen erwarten, und welche Pläne haben Sie in Bezug auf Ihr Engagement für die Diabetes-Community?
Dieses Jahr war ich bereits auf verschiedensten größeren Events, Diabetes-Galas und Veranstaltungen. Und damit geht es auch weiter: Zur Veranstaltung „Meilensteine der Diabetologie“ hat brisant (ARD) einen Beitrag mit mir gedreht, der voraussichtlich am 10. November ausgestrahlt wird. Und, ich bin ins «SAT.1 Frühstücksfernsehen» am 12. November eingeladen, um über meine Musik, mein Leben und den Umgang mit Diabetes zu berichten.
Ein weiteres Highlight ist am 15. November 2024: Hier kommt meine neue EP “Samuel Rösch - piano” raus, die so nahbar und ehrlich wie nie zuvor ist. 2025 werden wir als Band und ich auch Solo in ganz Deutschland, Österreich und der Schweiz wieder viel live unterwegs sein und Konzerte spielen.
Und ich werde mich sehr wahrscheinlich erstmals als Markenbotschafter für ein Patch-Pumpensystem engagieren, die ich selbst seit einiger Zeit nutze. Bis dato habe ich derartige Anfragen immer abgelehnt, da ich nicht zu 100% hinter den jeweiligen Produkten bzw. Dienstleistungen stand. Ich möchte damit zeigen, wie einfach es sein kann, mit der heutigen Technologie auch als Diabetes Typ-1 Patient sein Leben lebenswert und so normal wie möglich zu gestalten.
Vielen Dank, dass wir über dieses wichtige Thema sprechen konnten!
MDMD und Weltdiabetestag:
Sonntag, 10. November 2024, ab 11.30 Uhr (Einlass):
Maritim proArte Hotel, Dorotheenstraße 65, 10117 Berlin.
Der Eintritt ist frei.
Anmeldung unter https://meilensteine-diabetologie.eventbrite.de