Die Geschichten haben mit der siebten Runde den Tiefpunkt erreicht. Das könnte an den zwei Streiks liegen, die die Branche im Jahr 2023 durchmachen musste. Die zehn Folgen fühlen sich wie drei Einzelparts an.
Nach rund einem Jahr Pause landete der Fernsehserie
«9-1-1» beim FOX-Mitbewerber ABC. Das lag nicht daran, dass die Verantwortlichen hinter den Kulissen die Serie großartig umbauen mussten, sondern weil die Vereinigten Staaten von Amerika zunächst von einem Autoren-, dann noch von einem Schauspielerstreik lahmgelegt wurde. Die erste der zehn Episoden startete am 14. März 2024 bei ABC und fand auch schnell seine Verbreitung beim Streamingdienst Disney+, der beispielsweise die Serie in Deutschland Woche für Woche zur Verfügung stellte.
Im Mittelpunkt der Auftaktfolge stehen Bobby (Peter Krause) und Athena (Angela Besset), die mit deutlicher Verspätung ihre Kreuzfahrt unternehmen möchten. Im Auftakt der sechsten Runde wurde dieses Abenteuer noch verhindert, nachdem es zu Problemen in Athenas Familie kam, was zu einem Ausflug der Familie führte – mit einer wirklich guten Story. Im Vorfeld besuchte Athena eine im Rollstuhl gelähmte Therapeutin, mit der sie über ihre Kindheitsängste sprach. Dort deutete sie an, dass sie aufgrund des Spielfilmes «Die Höllenfahrt der Poseidon» vor Abenteuern auf hoher See Angst habe. Der Spielfilm und seine zahlreichen Remakes sind dafür bekannt, dass eine Monsterwelle das Schiff zum Kentern bringt und schließlich die Besatzung auf dem Rücken des Schiffes ausharren muss und einen Ausgang sucht.
Gleichzeitig flüchtet Bobby vor Athena, weil er Angst hat, die Eheleute könnten sich ohne Einsätze nichts mehr zu sagen haben. Dieser Storyact ist weniger gut verfasst, vor allem weil Bobby bereits seit einigen Wochen immer wieder auf seltsame Weise verschwindet. Das Thema Alkohol(-missbrauch) zieht sich in der neuen Staffel als Motiv durch – Bobby war abhängig. Doch obwohl ihr Ehemann sich seltsam verhält, kommt Athena nicht auf die Idee, er könne vielleicht rückfällig geworden sein. Stattdessen beschäftigt sie sich lieber mit Norman (Daniel Roebuck) und Lola Peterson (Romy Rosemont), bekannt aus der zweiten Staffel, die ebenfalls an Bord sind. Lola verschwindet und wird durch eine andere Frau ersetzt. Ein spannendes kleines Abenteuer entsteht und die Auflösung lockt mit Sicherheit ein Lachen in das Gesicht der Zuschauer. «9-1-1» erzählte in den vergangenen Jahren nicht die besten Geschichten, doch das kleine Popcorn-Kino haben die Macher auch in der siebten Runde noch drauf.
Andere Staffelprobleme können Blinde sehen: So baut der Sohn von Stadträtin Ortiz einen Autounfall, den er scheinbar unverletzt überstanden hatte. Er lehnte medizinische Versorgung durch Hen (Aisha Hinds) ab, verstarb aber unerwartet an einer Hirnblutung. Hen wird von der Gerichtsmedizin entlastet, schließlich ist das Opfer betrunken gewesen. Die Stadträtin versucht deshalb einen Keil durch die Ehe der Rettungssanitäterin zu treiben und auch eine Adoption eines jungen Mädchens zu verhindern. Es liegen so viele klare Fakten auf dem Tisch, dass die Stadträtin wegen Befangenheit abgemahnt werden kann. Buck (Oliver Stark) hatte beispielsweise einmal eine Reporterin-Freundin, die helfen könnte. Wäre da nicht das Problem, das das Budget für sämtliche Gastdarsteller auf ein Minimum zusammengestrichen wurde.
Richtig dumm ist schon die Geschichte von Eddie (Eyan Guzman), der seinen Abschiedsbrief seiner Mutter an seinen Sohn weiterreicht. Er sieht eines Tages eine Frau in einem örtlichen Geschäft, baut mit ihr eine Freundschaft auf – ehe es zu einer Offenbarung kommt. Er erzählt Kim (Devin Kelley), dass die Mutter seines Sohnes offenbar genauso aussah. Sie kommt deshalb zurück, sie können sich, sein Sohn und seine Freundin Marisol (Ady Ganem) sehen aus und schon folgt eine Krise. Noch schlimmer: Eddie möchte sich von Marisol zwischenzeitlich trennen, weil sie in ihrem früheren Leben eine Novizin war. Das ist eben ein Problem, wenn das Feld der Nebendarsteller so zusammengespart wurde, dass ständig die Hauptprotagonisten immer solche Beziehungsprobleme bekommen.
In der 100. Episode, in der das Team auf das Set von «The Bachelor» trifft, wird Buck spontan homosexuell. Diese für Menschen bahnbrechende Entscheidung wird allerdings nicht in einem inneren Konflikt nach außen gekehrt, sondern schnell als Episodenhandlung durchgedrückt. Nur zwei Folgen später endet eine Episode mit dem Beginn der Hochzeit zwischen Maddie und Chimney, aber Eddie und Buck kommen von Chimney vom Jungengessellenabend. Er irrt sinnlos durch Los Angeles, wird unter anderem in der Stadt beraubt und keiner der Menschen ruft einen Rettungsdienst. Die Auflösung ist trivial.
Die Folgen acht, neun und zehn sind wieder eine zusammenhängende Geschichte. Bei den Anonymen Alkoholikern begegnet Bobby einen Leidensgenossen namens Amir (Malcolm-Jamal Warner), der von einem Drogenkartell in Jacumba angegriffen wird. Im Anschluss an diese Aktion wird unter anderen auch Bobby geehrt, weshalb er seinen Job an den Nagel hängen will und bereits seine Kündigung einreicht. Nun gerät auch noch das Haus von Athena und Bobby in Flammen und da stellt sich natürlich, wer dafür verantwortlich sein könnte.
Die Geschichten der sieben «9-1-1»-Staffel sind schwach. Die Autoren schrieben zwar einen tollen Dreiteiler zur Eröffnung, aber die vielen privaten Geschichten sind quatsch. Die Protagonisten verhalten sich wie irre Menschen, die völlig unbedacht Aktionen eingehen. Es fällt weiterhin auf, dass Storys weiterhin abgebrochen werden, weil die Nebendarsteller nicht mehr verpflichtet wurden. Auch das große Disney-Problem, die Spezialeffekte, merkt man. Zeitweise sehen Effekte toll aus, an anderer Stelle möchte man fast abschalten. Entweder haben die Produzenten dieses Mal aufgrund der Kosteneinsparungen geschludert oder die Streiks haben sämtliche Zeit für Storytelling geraubt.
«9-1-1» ist bei Disney+ abrufbar.