InterviewTommy Wosch: ‚Bei Maria und Josef war es ein Esel, in unserem Film ein Fernbus‘
von Fabian Riedner06. Dezember 2024
«Faking Hitler»-Autor Wosch hat mit «Alle Jahre wieder» einen typischen Roadmovie-Weihnachtsfilm geschrieben. Dieser hat das Zeug, künftig jährlich im Programm vom Ersten zu laufen.
Herr Wosch, was für eine Geschichte haben Sie verfasst?
In mehreren aufeinanderfolgenden Jahren fahren zwei ungewöhnliche Paare am Abend vor Weihnachten mit dem Fernbus nach Bayern. Da haben wir Hanna, eine junge Frau, überzeugte Beziehungsgegnerin, und Felix, der schon seit längerem in einer festen Beziehung steckt. Die beiden verlieben sich ineinander, können sich aber erstmal auf keine gemeinsame Zukunft einigen. Weiter vorne im Bus sitzt Kathrin mit ihrem herzkranken kleinen Sohn und Robert, der Busfahrer. Robert ist ein schlechtgelaunter Weihnachtsmuffel, unsensibel gegenüber Kathrin und ihrer Situation. Trotzdem kommen die beiden sich Jahr für Jahr, während der weihnachtlichen Fahrten durch Schnee und Dunkelheit, näher. Driving home for Christmas.
Was war die Inspiration hinter der Geschichte von «Alle Jahre wieder»?
Viele, viele unterschiedliche Beziehungen, die mich fasziniert und geprägt haben. Angefangen natürlich von der Ehe meiner Eltern, der Ehe ihrer Eltern, Beziehungen unter Freund:innen und natürliche meine eigenen. Ab einem gewissen Punkt stellt sich immer die Frage, ob man geht oder durchzieht. Keiner kann im Nachhinein sagen, was richtig oder falsch war. «Alle Jahre wieder» geht der Frage nach, ob es sinnvoll und gut ist an Beziehungen festzuhalten und spiegelt diese Frage mit weihnachtlichen Traditionen. Gibt es irgendwann mal ein Pay-Off dafür, dass man in guten, wie in schlechten Zeiten zusammengeblieben ist bzw. dass man Jahr für Jahr genau drei Wiener Würstchen mit Kartoffelsalat vor der Bescherung gegessen hat?
Weihnachtsfilme sind ein eigenes Genre. Was macht diesen Film Ihrer Meinung nach besonders und anders als typische Weihnachtsgeschichten?
Ich kann das schwer ausdrücken und vielleicht finden andere Menschen diesen Film ja gar nicht so außergewöhnlich. Eines wird mir allerdings immer in Erinnerung bleiben und das war die abschließende Leseprobe im Hinterzimmer eines kleinen sympathischen Münchner Hotels. Draußen fing es leicht an zu schneien, drinnen gab es Kekse und Tee im feinen Service. Und dann wurde gelesen. Vier Generationen von Schauspieler:innen, alle vollmotiviert bei der Sache, kollegial, liebenswert, talentiert. Wir Zuhörenden lachten, verdrückten auch mal eine Träne und dachten wahrscheinlich alle dasselbe: wenn unser Beruf doch immer so wäre…
Der Fernbus als Hauptschauplatz ist eher ungewöhnlich. Was reizte Sie an diesem Setting für eine romantische Komödie?
Ich mochte schon an der biblischen Weihnachtsgeschichte diesen Road-Movie-Charakter. Bei Maria und Josef war es ein Esel, in unserem Film ein Fernbus, aber das Ziel bleibt dasselbe – Liebe.
Die Charaktere sind sehr unterschiedlich, von der romantischen Suchenden bis zur desillusionierten Mutter. Wie haben Sie diese Figuren entwickelt, und welchen von ihnen mögen Sie besonders?
Um das Thema Sinn und Unsinn einer Beziehung umfänglich durchzudeklinieren, braucht man natürlich viele unterschiedliche Beziehungsmodelle bzw. Charaktere, die diese Modelle leben. Wahrscheinlich ist Hannas Oma, die sich selbst als Alterslesbe im Passiv-Modus bezeichnet, meine Lieblingsfigur, da sie unter anderem auch dafür steht, dass das ganze Leben ein Prozess ist und keine Momentaufnahme.
Wie war die Zusammenarbeit mit Felix Herzogenrath und dem hochkarätigen Cast, insbesondere mit Charly Hübner?
Felix durfte ich während der Dreharbeiten ab und an mal in mein Lieblingsgasthaus in München ausführen. Das waren wunderbare Abende. Mit Sinje war es ja schon das dritte gemeinsame Projekt und ich bin jedes Mal wieder restlos begeistert von ihr. Klaus ist nicht nur ein großartiger Schauspieler, sondern auch ein geradezu unglaublich netter Mensch. Maria Simon war toll, Elena Uhlig auch, der kleine Lennox Louis sehr berührend und Charly Hübner hat den ganzen Film natürlich vergoldet. Ich habe ihn in der Zusammenarbeit als sehr angenehm und voll auf den Punkt wahrgenommen. Ach so, und bevor hier ein Missverständnis aufkommt, mit Felix kann man nicht nur Bier vernichten, er ist auch ein toller Regisseur.
Die Dreharbeiten fanden an malerischen Orten in Bayern statt. Wie wichtig war die Kulisse für die Atmosphäre des Films?
Ehrlich gesagt habe ich unsere Kulisse als gar nicht so spektakulär wahrgenommen. Natürlich gibt es den ein oder anderen schönen Establisher und die Szenen im Schnee, insbesondere die Weihnachtsfeier am See, sehen toll aus, aber im Großen und Ganzen sind wir vor allem nah an den Figuren drangeblieben. Und so ein Reisebus von innen ist halt, auch wenn man alles Licht der Welt setzen könnte, ein Reisebus von innen.
Wie erleben Sie selbst die Weihnachtszeit? Eher stressig, romantisch oder entspannt?
In den letzten Jahren vor allem sportlich. Wir sind über Weihnachten in einem Sport-Ressort auf den Kanaren. Der Ablauf ist jedes Jahr derselbe: vormittags Fußball, mittags Tennis und ab 16 Uhr macht die gesamte Familie Pool-Gymnastik mit Andrew. Um 18 Uhr Bescherung am Meer und danach Casa Victor.
Sie haben auch «Dinner für Five» geschrieben. Wie lange waren Sie an dem «Dinner for One»-Prequel gesessen?
Die erste Fassung habe ich vor sechs Jahren gemeinsam mit meinem lieben Kollegen Dominik Moser geschrieben. Dann ein paar Monate den Pitch, den Prime Video dann gekauft hat und danach nochmal ein Jahr, bis alle Bücher fertig waren.
Ihre Serie «Faking Hitler» hat einige Preise gewonnen. Schätzen Sie diese Auszeichnungen als Wert Ihrer Arbeit oder bekommen Sie anderweitig – durch Zuschauer? – Danksagungen?
Nett, dass Sie von Preisen sprechen, eigentlich war es nur der Fernsehpreis. Über den habe ich mich sehr gefreut. Natürlich gibt es auch das eine oder andere Lob, aber wie wir alle, übe auch ich mich in Unabhängigkeit von Bestätigung aus dem Außen. Klappt aber noch nicht. Insofern gerne ein paar Preise für unser Dinner-Prequel und Lob, wann immer und wo immer Sie mich sehen.
Danke für Ihre Zeit!
«Alle Jahre wieder», produziert von UFA Fiction, ist am Freitag, den 6. Dezember 2024, um 20.15 Uhr im Ersten zu sehen.