Serientäter«The White Lotus» Staffel 3: Ein Spielfilm auf acht Folgen gestreckt
von Fabian Riedner16. April 2025
Das neue Abenteuer in Thailand konzentriert sich primär auf die langatmige Einführung zahlreicher Figuren – die Handlung kommt dabei kaum in Gang.
Nach rund eineinhalb Jahren Wartezeit meldet sich «The White Lotus»-Schöpfer Mike White mit der dritten Staffel seiner Anthologie-Serie zurück. Was einst als kleines Pandemieprojekt begann, entwickelte sich rasch zum gefeierten HBO-Hit. Die zweite Staffel konnte die Kritikerlobpreisungen sogar noch toppen. Entsprechend hoch waren die Erwartungen an die Fortsetzung – doch die neue Staffel enttäuscht. In der luxuriösen White-Lotus-Anlage in Thailand passiert über weite Strecken: erstaunlich wenig.
Die Staffel beginnt mit Zion (Nicholas Duvernay), dem Sohn von Belinda (Natasha Rothwell), die den Zuschauenden bereits aus der ersten Staffel bekannt ist. Auf der thailändischen Insel Ko Samui trifft er seine Mutter wieder, die mittlerweile als Spa-Managerin für die White-Lotus-Kette arbeitet. Während einer Meditationssitzung mit Amrita (Shalini Peiris) kommt es zu einem dramatischen Zwischenfall: Schüsse fallen, Zion flüchtet panisch – und entdeckt dabei eine Leiche in einem Teich.
Eine Woche zuvor treffen verschiedene Gäste im Resort ein – unter ihnen die wohlhabende Familie Ratliff. Familienoberhaupt Timothy (Jason Isaacs) reist gemeinsam mit seiner Frau Victoria (Parker Posey) und den drei Kindern an: Saxon (Patrick Schwarzenegger), ein Junior-Manager im Familienunternehmen, Piper (Sarah Catherine Hook), eine ambitionierte Studentin, und der schüchterne Lochlan (Sam Nivola). Piper nutzt die Reise angeblich für ihre Universitätsarbeit – de facto dient sie vor allem als Vorwand für einen Luxustrip.
Die Familie Ratliff steht sinnbildlich für eine entfremdete amerikanische Oberschicht. Ihr Reichtum basiert auf dubiosen Finanzgeschäften, deren Konsequenzen Timothy auf der Reise telefonisch eingeholt werden – ohne dass die Serie dies vertieft. Stattdessen konsumiert er heimlich die Lorazepam-Tabletten seiner Frau. Während diese in Deutschland unter dem Namen „Tavor“ nur streng verschrieben werden, scheint der Zugang in den USA wesentlich einfacher. Dass Victoria nicht bemerkt, dass ihr Ehemann ebenfalls „drauf“ ist, lässt sich entweder als Drehbuchfehler oder als Hinweis auf ihre narzisstische Persönlichkeit deuten – ein Eindruck, der sich in einem Gespräch über ihre finanzielle Abhängigkeit eindrücklich bestätigt: „In meinem Alter kann ich nicht ohne Geld leben.“ Zwar gibt es hier zynische, teils bitterböse Momente – doch echte Charakterentwicklung bleibt aus. Immerhin greift Sohn Saxon irgendwann zu einem Buch über Meditation.
Ebenso blass bleibt die Geschichte rund um drei Freundinnen: Kate Bohr (Leslie Bibb) aus Austin, Texas, die geschiedene Wirtschaftsanwältin Laurie Duffy (Carrie Coon) und TV-Schauspielerin Laclyn Lemon (Michelle Monaghan). Trotz vereinzelter Affären und unterschwelliger Spannungen – insbesondere zwischen Laurie und Laclyn – eskaliert nichts wirklich. Politische Spitzen, etwa wenn Kate über die texanische Landbevölkerung und deren Wahlverhalten spricht, werden kurz angedeutet und ebenso schnell abgehakt.
In einer anderen Erzählung begleitet man Rick Hatchett (Walton Goggins) und seine Freundin Chelsea (Aimee Lou Wood). Rick ist zunächst bloß mürrisch und reizbar, entwickelt sich jedoch in späteren Folgen zu einer zentraleren Figur. Als vermeintlicher Produzent versucht er, die ehemalige Filmikone und heutige Hotelbesitzerin Sritala Hollinger (Lek Patravadi) zu beeindrucken. In Wahrheit interessiert er sich aber für deren Ehemann Jim (Scott Glenn), mit dem ihn ein familiäres Geheimnis verbindet. Dieser Handlungsstrang nimmt erst spät Fahrt auf – zu spät für viele Zuschauende.
Ein bizarrer Höhepunkt der Staffel ist der Auftritt von Frank (Sam Rockwell), der in einer wilden Rede über frühere sexuelle Begegnungen, Transidentität und seine Drogensucht referiert – ein typischer „What-the-fuck“-Moment, wie man ihn aus früheren Staffeln kennt. Abgesehen davon bleibt die Handlung weitgehend ereignisarm.
Auch Belinda, die in Staffel eins große Pläne mit der exzentrischen Tanya McQuoid hatte, bekommt erneut Raum. Tanya war damals abgereist, Greg Hunt (Jon Gries) hatte sie dazu gedrängt – und steht nun im Verdacht, am Tod seiner Frau beteiligt gewesen zu sein. Greg ist untergetaucht, aber Belinda trifft in Thailand erneut auf ihn – mit unvorhergesehenen Folgen. Parallel entwickelt sich zwischen Belinda und dem Wellness-Experten Pornchai (Dom Hetrakul) eine neue Dynamik. Gemeinsam planen sie ein Spa – doch ob Belinda dieses Mal an ihrem Plan festhält?
Was die vorherigen Staffeln auszeichnete – komplexe zwischenmenschliche Konflikte, bissiger Humor und gesellschaftliche Reflexion – gerät in der dritten Runde ins Hintertreffen. Viele neue Figuren wirken blass, ihre Konflikte konstruiert. Die spannenderen Erzählungen rund um Hotelpersonal – etwa Sicherheitsmann Gaitok (Tayme Thapthimthong), der sich für die Kollegin Thidapon „Mook“ Sornsin (Lalisa Manobai) interessiert, oder Hotelmanager Fabian (Christian Friedel), der sich nach einem anderen Leben sehnt – können das dramaturgische Defizit nicht ausgleichen. Auch Valentin (Arnas Fedaravicius), ein russischer Gesundheitscoach, wirkt seltsam losgelöst. Die politische Lage, etwa der Ukrainekrieg, wird kurz gestreift, aber nie vertieft.
Obwohl Mike White mit den ersten beiden Staffeln Großes geschaffen hat, bleibt Staffel 3 deutlich hinter den Erwartungen zurück. Vielleicht liegt es am Setting: Die zurückhaltende, ruhige Mentalität Thailands überträgt sich spürbar auf den Erzählrhythmus – Konflikte entstehen spät, Eskalationen bleiben Mangelware. Das Finale deutet interessante Entwicklungen an – doch die spannendsten Geschichten fangen gerade erst an, als die Staffel endet.
Wer als Zuschauer keine emotionale Verbindung zu den neuen Figuren aufbaut, könnte gut daran tun, sich stattdessen erneut Staffel eins oder zwei zu widmen.
Die dritte «The White Lotus»-Staffel kann bei Sky/Wow gestreamt werden.