Das ZDF versucht es am Freitagabend mit einem leisen Film, dessen eindringliche Wirkung beim Zuschauer lange nachhallt.
Stab
Darsteller: Katharina Böhm, Hanna Plaß, David Zimmerschmied, Lennox Louis Seigerschmid, Stephan Kampwirth, Rona Özkan
Schnitt: Janina Gerkens
Musik: Anna Bauer
Kamera: Philipp Timme
Drehbuch: Alina Schmitt
Regie: Suki M. Roessel Manchmal ist das Mutigste, was ein Film tun kann: nichts übertreiben. Keine großen Gesten, keine lauten Katastrophen. Sondern einfach nur hinschauen – und aushalten, was ist. «Das gläserne Kind» macht genau das. Und gerade deshalb bleibt der Film bei den Zuschauern hängen.
Regisseurin Suki M. Roessel erzählt von einer stillen Familiengeschichte, die fast beiläufig beginnt – mit einer Rückkehr. Helen (Hanna Plaß), die Tochter, kommt nach sechs Jahren aus den USA zurück, mit einem Kind an der Hand und einem Berg unverarbeiteter Geschichte im Gepäck. Ihre Mutter Anne (Katharina Böhm) wusste nicht einmal, dass sie Oma ist. Und so setzt sich das Puzzle einer unterbrochenen Beziehung langsam wieder zusammen – oder zumindest versucht es das.
Was dabei auffällt: Dieser Film hat keine Eile. Er lässt Raum. Für Schweigen. Für Unbeholfenheit. Für Blicke, die länger dauern, als es in klassischen Fernsehformaten üblich ist. Philipp Timmes Kamera bleibt nah dran, fast dokumentarisch, aber nie aufdringlich. Und da, wo andere Regisseure vielleicht einen Dialog oder eine dramatische Wendung platziert hätten, bleibt hier einfach ein leerer Raum stehen. Das ist gut so.
Katharina Böhm spielt Anne mit einer Zurückgenommenheit, die beeindruckt – keine großen Ausbrüche, sondern eine Frau, die gelernt hat, mit Verlust zu leben, ohne dass er je ganz verschwindet. Hanna Plaß als Helen ist ruppiger, direkter, manchmal schwer zu greifen, aber immer glaubwürdig. Das Zusammenspiel der beiden ist der Kern des Films, und es funktioniert gerade, weil die Figuren sich nicht sofort wiederfinden. Es knirscht. Es dauert.
Dass Lennox Louis Seigerschmid als kleiner Luke nicht zur nervigen Projektionsfläche wird, sondern einfach Kind sein darf – mit Fragen, mit Wut, mit Neugier – ist ein seltener Glücksfall. Und dass er den Namen seines toten Onkels trägt, ist keine billige Symbolik, sondern schlicht ein Fakt, der alles andere in Bewegung bringt.

Das Drehbuch von Alina Schmitt geht ebenfalls sehr behutsam vor. Es übererklärt nichts, es setzt auf Nuancen. Die Vergangenheit sickert nur langsam durch in die Gegenwart. Vieles bleibt offen – und genau das macht den Film realistisch. Nicht alles wird aufgelöst. Aber manches wird gesagt, und das reicht. Auch die Musik von Anna Bauer passt sich diesem Ton an – sparsam, atmosphärisch, nie dominant. Der Schnitt von Janina Gerkens trägt derweil entscheidend dazu bei, dass sich Vergangenheit und Gegenwart organisch überlagern, ohne dass man je das Gefühl hat, eine konstruierte Dramaturgie zu sehen.
«Das gläserne Kind» ist kein Film, der sich aufdrängt. Aber einer, der bleibt. Weil er nicht vorgibt, mehr zu wissen als seine Figuren. Weil er Fehler zulässt. Und weil er zeigt, dass Versöhnung nicht in großen Momenten geschieht, sondern in kleinen. In Gesten. In der Entscheidung, nicht wegzugehen. Ein stiller, eindringlicher Film über familiäre Brüche – und darüber, dass manchmal ein zweiter Blick reicht, um mit dem ersten Frieden zu schließen. Kein Paukenschlag. Aber ein Ton, der nachhallt.
Der Film «Das gläserne Kind» wird am Karfreitag, den 18. April um 21.15 Uhr im ZDF ausgestrahlt.