InterviewSarah Wiener: ‚Die Welt des Kochens ist vielfältig und bunt‘

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Fünf Jahre lang saß Wiener im Europäischen Parlament. Mit Quotenmeter wirft Sie einen Blick auf Essen und auch auf Kochshows.

Hallo Frau Wiener, schön, dass Sie sich die Zeit für ein Interview nehmen. Sie sind bekannt als Köchin und ehemalige EU-Parlamentarierin. Fangen wir doch mit Ihrer politischen Arbeit an: Wie sehen Sie Ihre Arbeit im Europäischen Parlament und was haben Sie in den letzten fünf Jahren erreicht?
Niemand macht alleine Politik und revolutioniert Gesetze, es ist immer auch eine Frage der Zeit, der Kommunikation und der Bedingungen. Es gab kleinere und größere Erfolge, aber auch Misserfolge. Viel Arbeit findet in der eigenen Fraktion statt – auch dort muss man seine Ideen und Haltungen erstmal durchsetzen. Intern war wohl mein größter Erfolg, dass die Fraktion kein Positionspapier vorgelegt hat, das sich für In-vitro-Fleisch aussprach. Mein konkreter politischer Erfolg war die Mehrheit meines Gesetzestextes im Fachausschuss für eine nachhaltige Pestizidreduktion. Allerdings scheiterte das im Plenum, nach massiven Kampagnen seitens der Konservativen und Rechten. Aber ich bin optimistisch, die Reduktion wird kommen müssen. Ich habe viel gelernt und habe jetzt noch größeren Respekt vor der Arbeit in der Politik. Es war harte und intensive Arbeit.

Sie sind nicht nur Politikerin, sondern auch erfolgreiche Köchin. Wie sah Ihr Weg nach der Schule aus? Wie sind Sie zum Kochen gekommen?
Mein Vater hatte in Berlin zwei legendäre Künstlerrestaurants, in denen ich als Küchenhilfe angefangen habe. Zwischenzeitlich habe ich auch gekellnert, in anderen Restaurants gekocht und später eigenständig für eine Werbeagentur, Filmteams und Bands in ganz Europa in einer mobilen Küche gearbeitet.

Seit über 17 Jahren gibt es Ihre Stiftung, die sich für gesundes und leckeres Essen für Kinder einsetzt. Wie sieht Ihre Arbeit hier aus?
Wir bringen Kindergartenkindern und Grundschülern das Kochen bei – ganz spielerisch und unaufgeregt. Wir engagieren uns in Familienzentren, machen Programme für Kinder, inklusive Bauernhoffahrten, um ihnen den Ursprung ihres Essens näherzubringen. Wir sind Deutschlands größte Ernährungsinitiative und haben – auch dank unseres Partners, der Barmer Krankenkasse – schon über 1,8 Millionen Kindern das Kochen beigebracht. Es ist allerdings noch viel zu tun. Viele Familien kochen kaum noch, oft aus Überforderung oder weil es ihnen an Wissen fehlt. Unsere Arbeit zielt darauf ab, die Kluft zwischen gut ernährten Kindern und denen, die minderwertige Nahrung bekommen, zu schließen.

Ein Thema, das viele Menschen interessiert: Vollkornprodukte sind oft unbeliebt. Haben Sie als Köchin Tipps, wie man den Geschmack verändern kann?
Ich weiß nicht, wie Sie darauf kommen, dass Vollkornprodukte unbeliebt sind! Es gibt wunderbares, krustiges, duftendes Vollkornbrot, in das man sofort reinbeißen möchte. Auch bei Kindern kann Vollkorn gut ankommen, wenn man es ihnen richtig anbietet. Vollkornreis beispielsweise kann man anbraten, knusprig machen und mit Sesam und Gemüse servieren – köstlich!

Vor rund 20 Jahren haben Sie Ihre ersten TV-Auftritte gehabt. Wie blicken Sie auf die Zeit von «Die kulinarischen Abenteuer der Sarah Wiener in Frankreich» zurück?
Nach Frankreich kamen noch Italien, Großbritannien, Österreich, Asien, die Alpen – ich habe es geliebt und ich denke, das hat man auch gesehen. Es war allerdings anstrengender, als es aussah.

Wie sind Sie mit dem kulinarischen Angebot in deutschen Kochsendungen zufrieden? Sollte mehr Wert auf bestimmte Aspekte gelegt werden?
Die Welt des Kochens ist vielfältig und bunt. Unterschiedliche Sendungen und Kochstile finde ich gut. Ich lege Wert auf Qualität und Vielfalt der Lebensmittel. Was mir aber nicht gefällt, ist, wenn Köche nur Convenience-Produkte verfeinern.

Im Podcast «Geyer & Niesmann» haben Sie erwähnt, dass Sie gerne wieder in TV-Formaten auftreten würden. Gibt es schon konkrete Pläne?
Ich habe viele Ideen, aber ich muss erst einmal ordnen, was überhaupt gewünscht und machbar ist. Man muss auch schauen, wer produziert, zahlt und sendet.

Ein weiteres aktuelles Thema: Warum greifen so viele Menschen zu Fertigprodukten, obwohl sie sich in kurzer Zeit ein frisches Gericht zubereiten könnten?
Das ist eine komplexe Frage. Wer mit frischem Gemüse aufgewachsen ist, hat meist eine lebenslange Vorliebe dafür. Viele greifen zu Fertigprodukten, weil sie keine Zeit haben oder es nicht besser wissen.

Sie sind gegen Pestizide und Gentechnik. Fühlen Sie sich manchmal wie Don Quijote im Kampf gegen Windmühlen?
Es geht ohne teure synthetische Pestizide und Gentechnik, das beweisen Millionen Bäuerinnen und Bauern jeden Tag. Wir müssen uns auf die Natur und resiliente Sorten konzentrieren, statt auf technologische Fixes. Wenige Konzerne versuchen, mit der Manipulation unserer Lebensgrundlagen Geld zu verdienen, aber ich wünsche mir unabhängige bäuerliche Betriebe und eine große Vielfalt.

Könnte Gentechnik nicht in Regionen wie Afrika helfen, wo Wasser knapp ist?
Jede Pflanze braucht Wasser. Was wir brauchen, sind regional angepasste Sorten, die aus der Natur heraus resilient sind. In Afrika sollten traditionelle Pflanzen wie Hirse oder Maniok angebaut werden – Weizen wächst dort traditionell nicht. Vernünftige Entscheidungen für und mit den Menschen vor Ort zu treffen, sollte der erste Schritt zur Lösung unserer zahlreichen Krisen sein.

Nach fünf Jahren im EU-Parlament haben Sie sich entschieden, nicht weiterzumachen. War es die Arbeit oder die Restaurants in Brüssel?
Wenn ich wegen schlechter Restaurants aufgehört hätte, hätte ich in der Politik nichts verloren! Es gibt auch in Brüssel gute Restaurants. Die Entscheidung war vielfältiger, aber letztlich liegt sie auch nicht allein bei mir.

Vielen Dank für Ihre Zeit!